Lizenzanalogie im Urheberrecht

Lizenzanalogie als Grundlage für die Schadensersatzberechnung nach Urheberrechtsverletzung: Regelmäßig bei Urheberrechtsverstößen möchte jemand Schadensersatz und diesen anhand der sogenannten Lizenzanalogie berechnen. Die Idee dieser Lizenzanalogie im deutschen Recht ist, dass der Verletzer eines Rechts nicht besser stehen soll, als der rechtmäßige Nutzer – und dann so behandelt wird, als hätte man eine ordentliche Lizenz abgeschlossen, die natürlich zu vergüten ist. Doch wonach bemisst sich diese Lizenz?

Im Alltag begegnen mir dabei häufig Laien, aber auch Rechtsanwälte, die offensichtlich Details der Lizenzanalogie nicht kennen. Vielmehr verwechselt man die Berechnung des Schadensersatzes gerne schnell mit der schematischen Anwendung irgendwelcher Vergütungsrichtlinien. Das funktioniert so aber nicht, im Folgenden einige Ausführungen zur Anwendung der Lizenzanalogie im Urheberrecht.

Die Lizenzanalogie im Urheberrecht

Auch wenn die schematische Anwendung von Vergütungsrichtlinien besonders einfach und auch für den Verletzten schnell sehr attraktiv ist, verkennt diese Vorgehensweise, dass der Lizenzanalogie der Gedanke zu Grunde liegt, dass ein fiktiver Vertrag zu Grunde zu legen ist, der sich daran orientiert, was ein objektiver Lizenzgeber mit einem objektiven Lizenznehmer für diesen Fall vereinbart hätten (ständige Rechtsprechung des BGH, dazu I ZR 6/06, I ZR 59/88 und I ZR 106/73).

Denn Nach der Berechnungsart der Lizenzanalogie entsprechend § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG kann der Verletzte nach einer Urheberrechtsverletzung das ansetzen, was verständige Vertragsparteien vereinbart hätten und zwar bei Kenntnis der aktuellen Sachlage (siehe zusammenfassend BGH MDR 1990, 968). Zu einer eigenen Lizensierungspraxis muss man ausreichend vortragen, wenn dies berücksichtigt werden soll.

Dabei ist nicht zu vergessen, dass auch das Interesse des Verletzers bei dieser rein objektiven Betrachtung zu berücksichtigen ist, jedenfalls mittelbar bei der Frage, was ein objektiver Dritter vereinbaren würde. Letztliche Maßgabe ist immer der objektive Wert (BGH, I ZR 6/06):

Bei der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob und inwieweit der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (…) Im Zusammenhang mit der unberechtigten Nutzung einer Fotografie im Internet wird es dabei unter anderem auf die Intensität der Nutzung, insbesondere ihre Dauer, und die Qualität des Lichtbilds ankommen (…) Soweit damit objektiv eine Erhöhung des wirtschaftlichen Werts der Bildernutzung verbunden ist, wird ferner der für die Erstellung des Lichtbilds erforderliche Aufwand zu berücksichtigen sein (…) Maßgebliche Bedeutung kommt einer zur Zeit der Verletzungshandlung am Markt durchgesetzten eigenen Lizenzierungspraxis des Rechtsinhabers zu

BGH, I ZR 187/17

Das Landgericht Köln (14 O 88/14) führt zur Lizenzanalogie zusammenfassend aus:

Gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG kann der Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzte als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Dabei ist für die Berechnung des maßgeblichen objektiven Werts der Benutzungsberechtigung darauf abzustellen, was vernünftig denkende Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten (vgl. BGH GRUR 1990, 1008, 1009 – Lizenzanalogie;  GRUR 2006, 136 Rn. 23,26  – Pressefotos; OLG Brandenburg, GRUR-RR 2009, 413 – MFM-Bildhonorartabellen; OLG Braunschweig GRUR-RR 2012, 920, 922; OLG Köln, Urt. v. 01.03.2013  – 6 U 168/12).

Hierfür kommt es auf die gesamten wesentlichen Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH a.a.O. Rn. 26). Die Höhe der zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (vgl. BGH Urteil vom 29.04.2010 – I ZR 68/08 – Restwertbörse I). Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Verletzte selbst bereit gewesen wäre, für seine Benutzungshandlungen eine Vergütung zu zahlen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1320, 1321; OLG Braunschweig a.a.O) und welchen Wert der Verletzte im Nachhinein der Benutzungshandlung beimisst.

Sofern die Schadensersatz begehrenden Partei den Nachweis erbringt, dass sie nach einem von ihr angebotenen Vergütungsmodell Lizenzverträge im fraglichen Zeitraum tatsächlich abgeschlossen hat, kommt es ferner nicht darauf an, ob die aufgeführten Lizenzsätze und sonstigen Konditionen allgemein üblich und angemessen sind. Bereits der Umstand, dass die Lizenzvereinbarungen so abgeschlossen werden, rechtfertigt den Schluss, dass vernünftige Vertragsparteien bei vertraglicher Lizenzeinräumung eine entsprechende Vergütung vereinbart hätten (BGH GRUR 1987, 36 (37) – Liedtextwiedergabe II; BGH GRUR 2009, 660 (663) Rn. 32 – Reseller-Vertrag; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2014, 55 – Schadensberechnung, zitiert nach juris Rn. 63).

Es gibt Tabellen, die versuchen, branchenübliche Vergütungen zusammenzufassen. Diese gerne herangezogenen Vergütungstabellen sind insofern Orientierungswerte – die aber nicht darüber hinweghelfen, im Einzelfall zu prüfen, was vereinbart worden wäre. Dabei ist das damit befasste Gericht in seiner Beweiswürdigung frei und schätzt die Höhe der Vergütung nach §287 ZPO (BGH, I ZR 132/60; Münchener Anwaltshandbuch, Medien- und Urheberrecht, §34, Rn.102). Hier ist dann auch immer das Risiko für beide Seiten, dass der Richter von der eigenen Vorstellung erheblich abweicht – und man auf Verfahrenskosten „sitzen bleibt“.

Zu berücksichtigen ist am Ende die konkrete Form der Verwendung, Häufigkeit, Art der verwendeten Medien und das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten (BGH, I ZR 132/60). Gerade letzteres, der unmittelbar erzielte geldwerte Vorteil, ist ein besonders heran zu ziehendes Kriterium und kann dazu führen, dass bei geringem finanziellen Vorteil die Zahlung erheblich sinkt (BGH, I ZR 125/10).

Fazit zur Lizenzanalogie im Urheberrecht

Im Ergebnis möchte ich zusammenfassen: Einfach irgendwelche fantasievollen Zahlen aus Vergütungstabellen zusammenzurechnen, ist keine Berechnung anhand der Lizenzanalogie. Nebenbei bedürfte es hierfür weder einschlägiger Erfahrung noch einer juristischen Ausbildung, wenn es so einfach wäre. Gerade abmahnende Rechtsanwälte sind hier gut beraten, sich abzusichern und nicht – den eigenen Mandanten sicherlich beeindruckende – Fantasiezahlen zu fordern: Das böse Erwachen droht schnell.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner