Beim Streitgegenstand gilt erst einmal: Der Streitgegenstand wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der neben dem Klageantrag für die Bestimmung des Streitgegenstands maßgebliche Klagegrund wird durch den gesamten historischen Lebensvorgang bestimmt, auf den sich das Rechtsschutzbegehren der Klagepartei bezieht. Doch Der Bundesgerichtshof hat hier seine früher vertretene strenge Auffassung inzwischen aufgegeben.
Zusammenfassung der Rechtsprechung zum Streitgegenstand
Den Ausgangspunkt bei der Frage der Bestimmung des Streitgegenstands sollte in jedem Fall die „Biomineralwasser“ (BGH, I ZR 230/11) Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausmachen. Hier hatte der BGH unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung entschieden:
Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bildet die konkrete Verletzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in diesem Fall – unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat – alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern. Entsprechendes gilt, wenn dem Beklagten mit der Unterlassungsklage unabhängig vom konkreten Umfeld die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung untersagt werden soll.
Hier stellte der Bundesgerichtshof klar, dass ein „zu feingliedriger Streitgegenstandsbegriff,“ der sich streng an dem vorgetragenen Lebenssachverhalt orientiert und bereits jede Variante einem neuen Streitgegenstand zuordnet, nicht der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise entsprechen würde – und darüber hinaus zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen würde. Kurzum: Es wäre nicht praktisch zu handhaben. Beim OLG Stuttgart (2 U 88/15) findet sich eine kurze und gute Zusammenfassung der aktuellen Lage zum Thema Streitgegenstand in der BGH-Rechtsprechung:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – I ZR 60/11, GRUR 2013, 397, Rn. 13 = WRP 2013, 499 – Peek & Cloppenburg III). Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage sieht der Bundesgerichtshof in seiner neueren Rechtsprechung in Fällen, in denen sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform richtet, in dieser Verletzungsform den Lebenssachverhalt, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (vgl. BGHZ 194, 314, Rn. 24 – Biomineralwasser; BGH, Urteil vom 09. Oktober 2014 – I ZR 167/12, MDR 2014, 1460, bei juris Rz. 26 – Energy & Vodka). Macht der Kläger nicht verschiedene lauterkeitsrechtliche Aspekte dadurch zu gesonderten Streitgegenständen, dass er sie mittels gesonderter Anträge verfolgt, so handelt es sich bei den verschiedenen lauterkeitsrechtlichen Aspekten ein- und derselben geschäftlichen Handlung nur um eine bloße Frage der Rechtsanwendung auf den vorgetragenen Sachverhalt, welche dem Gericht von Amts wegen obliegt (vgl. BGHZ 194, 314, Tz. 23 ff.).
Werden Rechtsverletzungen aufgrund der eigenen Stellung als klagebefugter Verband oder Verein oder als Genossenschaft von Marktteilnehmern und zugleich zum Nachteil einzelner Marktteilnehmer geltend gemacht, so handelt es sich nicht mehr um einen einheitlichen Lebenssachverhalt, sondern um unterschiedliche Streitgegenstände.
Auf Grund der an der (ungeliebten) Diskussion zum begriff des Streitgegenstands hängenden Problemfelder, sei es im Bereich der Klageänderung aber auch bei der Bemessung des Streitwerts, sei dringend empfohlen sich hier mit der aktuellen Rechtsprechung, die sich spätestens seit der Entscheidung „Biomineralwasser“ ergeben hat, zu beschäftigen.
Dazu auch: Die Folgen der TÜV-Entscheidungen des BGH für die Praxis
Unterlassungsantrag gestützt auf verschiedene Gefahren
Und wie ist mit einem Unterlassungsanstrag umzugehen, der auf Erstbegehungsgefahr UND Wiederholungsgefahr begründet wird: Hiernach liegen zwar dann unterschiedliche Klagegründe vor, wenn ein Unterlassungsantrag zum einen auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr gestützt wird, sofern unterschiedliche Lebenssachverhalte betroffen sind, zwischen denen kein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht.
Die Frage der Bestimmung des Streitgegenstands wird gerne im Zivilprozess vernachlässigt, dabei hat der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren hervorgehoben, dass hier nicht geschludert werden darf!
Daher handelt es sich grundsätzlich um zwei Streitgegenstände, wenn ein Unterlassungsanspruch zum einen wegen der vorprozessual begangenen Verletzungshandlung auf Wiederholungsgefahr und zum anderen auf Erstbegehungsgefahr wegen Erklärungen gestützt wird, die der in Anspruch Genommene erst später im gerichtlichen Verfahren abgibt. Geht einem einheitlichen Unterlassungsantrag hingegen – wie hier – sowohl ein als Verletzungshandlung beanstandetes Verhalten als auch eine hiermit zeitlich und sachlich in Zusammenhang stehende Rechtsberühmung voraus, ist nur ein Klagegrund gegeben (Oberlandesgericht Hamm, 4 U 88/18 unter Verweis auf BGH, I ZR 53/18)
Einheitlicher Antrag bedeutet keine Beschränkung
Inzwischen hat der Bundesgerichtshof auch klargestellt, dass nur weil ein Kläger von der Möglichkeit durch Formulierung gesonderter Anträge die rechtliche Zielrichtung einzelner Anträge zu spezifizieren keinen Gebrauch gemacht hat, das eben nicht im Umkehrschluss bedeutet, dass der Streitgegenstand auf einen bestimmten rechtlichen Aspekt beschränkt wäre (insoweit nun klarstellend BGH, I ZR 96/19).
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