Es ist ein Klassiker, dass in einem Zivilprozess die Beiziehung von Strafakten beantragt wird – nun konnte sich der Bundesgerichtshof (III ZR 104/21) zu dieser prozessualen Situation recht umfangreich äußern und festhalten, dass einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit zur Verfügung steht, in einem anhängigen Zivilprozess (Teile von) Ermittlungs- beziehungsweise Strafakten beiziehen zu lassen. Hierzu verweist der BGH auf § 432 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 474 Abs. 1, § 479 Abs. 4 Sätze 2 und 3 StPO. Dabei stellt er zugleich klar, dass bereits mit § 474 Abs. 1 StPO (Zivil-)Gerichten grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren ist.
Den Grundrechten der Gegenpartei oder Dritter, insbesondere ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass das Gericht nach Eingang der beigezogenen Akten unter Berücksichtigung ihrer schutzwürdigen Interessen prüft, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die darin enthaltenen Informationen im Zivilprozess verwertet werden können; gegebenenfalls ist die Einsicht in die Informationen aus den beigezogenen Akten angemessen zu beschränken.
Zu dem Recht auf Beiziehung führt der BGH aus:
Gemäß § 432 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 474 Abs. 1, § 479 Abs. 4 Sätze 2 und 3 StPO steht einer Partei grundsätzlich die Möglichkeit zur Verfügung, in einem anhängigen Zivilprozess (Teile von) Ermittlungs- beziehungs- weise Strafakten beiziehen zu lassen (vgl. BVerfG, [Kammer-]Beschluss vom 12. November 2021 – 1 BvR 576/19, juris Rn. 9).
Die Beiziehung der Akten ist zulässig, wenn und soweit sich eine Partei unter Angabe der erheblichen Aktenteile auf diese Akten bezogen hat (vgl. BVerfG, NJW 2014, 1581 Rn. 22; BGH, Urteil vom 12. November 2003 – XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324, 1325). § 474 Abs. 1 StPO legt die Gewährung von Akteneinsicht an Gerichte als Regelfall fest; nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999, BT-Drucks. 14/1484, S. 26) ist den Gerichten grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren (vgl. OLG Hamm, BB 2014, 526, 527 und 529). Grundrechte der anderen Partei oder Dritter, insbesondere deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, stehen der Aktenbeiziehung und der Einsichtnahme in die beigezogene Akte durch die Gerichte in aller Regel nicht entgegen.
Diesen Grundrechten kann vielmehr dadurch Rechnung getragen werden, dass im konkreten Fall das Gericht nach Erhalt der angeforderten Ermittlungs- oder Strafakte unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der anderen Partei und gegebenenfalls Dritter abwägt und so prüft, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Informationen aus ihr im Zivilverfahren verwertet werden können (vgl. BVerfG aaO Rn. 24 ff und 29); der Zugang zu den Informationen aus der beigezogenen Akte ist gegebenenfalls angemessen zu beschränken (vgl. BVerfG, NJW 2007, 1052).
Bundesgerichtshof, III ZR 104/21
Erwähnenswert ist, dass mit dem BGH ein Beweisantritt nach § 432 Abs. 1 ZPO nach Abs. 2 der Vorschrift ausdrücklich ausgeschlossen ist, wenn der Beweisführer die Urkunde nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts beschaffen kann.
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