In einer spannenden Entscheidung vom 9. April 2024 (Az. 4 U 452/23) hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden zur Verwertung von im Ausland heimlich abgehörten Gesprächen Stellung genommen.
Im Fokus des Urteils steht die Frage, ob solche Transkripte zur Durchsetzung schuldrechtlicher Ansprüche in Deutschland verwendet werden dürfen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall ging es um einen Insolvenzverwalter, der im Ausland heimlich abgehörte Gespräche zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Beklagten, der angeblich Vermögenswerte des Insolvenzschuldners treuhänderisch verwaltet habe, verwenden wollte.
Diese Gespräche wurden von einer Detektei aufgezeichnet, ohne dass der Beklagte darüber informiert war. Die heimlichen Aufnahmen fanden in Österreich statt, wo solche Aufnahmen nicht strafbar sind. Der Insolvenzverwalter versuchte, die Transkripte dieser Gespräche in einem deutschen Gerichtsverfahren zu verwerten.
Rechtliche Analyse
Das OLG Dresden stellte klar, dass die Verwertung der Transkripte von im Ausland heimlich abgehörten Gesprächen in Deutschland unzulässig ist, selbst wenn die heimliche Aufnahme am Deliktsort nicht strafbar ist. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das auch die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes umfasst.
- Verfassungsrechtliche Grundlage: Der Schutz des gesprochenen Wortes ist ein grundlegender Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das durch Art. 1 und Art. 2 des Grundgesetzes (GG) geschützt wird. Das bedeutet, dass Privatgespräche ohne Einwilligung des Gesprächspartners weder aufgezeichnet noch durch Abspielen der Aufzeichnung anderen zugänglich gemacht werden dürfen.
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Das OLG Dresden stützte sich auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH, der klargestellt hat, dass heimliche Tonbandaufnahmen grundsätzlich nicht verwertet werden dürfen, da sie das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen. Ein absolutes Verwertungsverbot besteht jedoch nicht; es ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich.
- Abwägung der Interessen: Das Gericht betonte, dass die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit der Beweiserhebung nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Entscheidend ist eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und den rechtlich geschützten Interessen der anderen Seite. Im vorliegenden Fall überwog jedoch das Persönlichkeitsrecht des Beklagten, da die heimliche Aufnahme ausschließlich der Beweissicherung für zivilrechtliche Ansprüche diente und keine dringenden, schwerwiegenden Gründe vorlagen, die eine solche Maßnahme gerechtfertigt hätten.
Datenschutzrechtliche Konsequenzen für Unternehmen
Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen, die sich auf im Ausland gewonnene Beweismittel stützen wollen:
- Einhaltung der DSGVO: Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einhalten, wenn sie personenbezogene Daten erheben und verarbeiten. Heimliche Aufnahmen ohne Einwilligung der betroffenen Personen verstoßen in der Regel gegen die DSGVO.
- Beweissicherung: Bei der Sicherung von Beweismitteln im Ausland müssen Unternehmen darauf achten, dass die Methoden der Beweiserhebung auch mit den rechtlichen Standards des Landes, in dem die Beweise verwendet werden sollen, übereinstimmen.
- Interne Richtlinien: Unternehmen sollten klare Richtlinien und Schulungen für ihre Mitarbeiter bereitstellen, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen zur Beweissicherung rechtskonform durchgeführt werden.
- Risikoabschätzung: Vor der Durchführung von Maßnahmen zur Beweissicherung sollte eine gründliche Risikoabschätzung erfolgen, um sicherzustellen, dass die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen nicht unangemessen beeinträchtigt werden.
Überblick
Das Urteil des OLG Dresden betont die Wichtigkeit des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und setzt klare Grenzen für die Verwertung von heimlich erlangten Beweismitteln. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie bei der Sammlung und Verwendung von Beweismitteln im Ausland stets die datenschutzrechtlichen Anforderungen beachten und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektieren müssen. Eine sorgfältige Planung und rechtliche Beratung sind unerlässlich, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und den Anforderungen der DSGVO gerecht zu werden.
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