Zugang eines Schriftstücks bei Gericht per Mail

Der Bundesgerichtshof (XII ZB 8/19) konnte, unter Bestätigung der wohl inzwischen als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung, zur Einhaltung der Schriftform bei Übermittlung einer im Original unterzeichneten Beschwerdebegründungsschrift im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei entscheiden:

  • Eine im Original unterzeichnete Beschwerdebegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, ist erst dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. März 2015 – XII ZB 424/14, FamRZ 2015, 919).
  • Die zur Übersendung einer Telekopie ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine einzuhaltende Frist bereits durch den vollständigen Empfang der gesendeten Signale vom Telefax des Gerichts gewahrt ist, kann nicht auf die Übermittlung einer E-Mail mit einem eingescannten Schriftsatz, die die Voraussetzungen für ein elektronisches Dokument nach § 130a ZPO nicht erfüllt, übertragen werden.

Aus der Entscheidung:

Grundsätzlich können nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m § 130 a Abs. 1 ZPO in Familienstreitsachen die Beteiligten Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument übermitteln. Dies gilt auch für die nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Beschwerdebegründung. Formgerecht eingereicht ist ein elektronisches Dokument jedoch nur, wenn es die in § 130 a Abs. 2 bis 4 ZPO aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Danach muss das elektronische Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein (§ 130 a Abs. 2 Satz 1 ZPO). Anstelle der vom Urheber unterzeichneten Urkunde muss das elektronische Dokument entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sein (§ 130 a Abs. 3 ZPO). Bei der qualifizierten elektronischen Signatur handelt es sich um eine elektronische Signatur nach § 2 Nr. 1 Signaturgesetz (SigG), die zusätzlich die Voraussetzungen der fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 2 SigG erfüllen und weiter auf einem zum Zeitpunkt ihrer Erzeugung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen und mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt worden sein muss (BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 12 ff.; BGHZ 197, 209 = NJW 2013, 2034 Rn. 9). Die sicheren Übermittlungswege, die für die Versendung eines elektronischen Dokuments genutzt werden können, das nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, werden in § 130 a Abs. 4 ZPO definiert. Nur wenn ein elektronisches Dokument diese Anforderungen erfüllt, ist es nach § 130 a Abs. 5 Satz 1 ZPO bei Gericht eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist (…)

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bereits geklärt, dass eine im Original unterzeichnete Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift, die eingescannt und im Anhang einer elektronischen Nachricht als PDF-Datei übermittelt wird, dann in schriftlicher Form bei Gericht eingereicht ist, sobald bei dem Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, ein Ausdruck der den vollständigen Schriftsatz enthaltenden PDF-Datei vorliegt. Denn erst der Ausdruck erfüllt die Schriftform, weil durch ihn die Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift in einem Schriftstück verkörpert wird und dieses mit der Unterschrift des Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten abgeschlossen wird. Dass die Unterschrift nur in Kopie wiedergegeben ist, ist entsprechend § 130 Nr. 6 Alt. 2 ZPO unschädlich, weil der im Original unterzeichnete Schriftsatz elektronisch übermittelt und von der Geschäftsstelle entgegengenommen worden ist (…)

Wird ein elektronisches Dokument … weder qualifiziert elektronisch signiert noch auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht, ist die nach § 130 a ZPO erforderliche prozessuale Form nicht gewahrt. Ein solches Dokument ist deshalb, sofern die Verfahrensordnung Schriftform voraussetzt, nicht wirksam eingereicht (vgl. BT-Drucks. 17/12634 S. 25; BGHZ 184, 75 = NJW 2010, 2134 Rn. 15 ff.). Für den Zeitpunkt des Eingangs des Dokuments kann in diesem Fall daher nicht auf den Zeitpunkt der Speicherung im elektronischen System des Gerichts abgestellt werden. Eine von der Verfahrensordnung geforderte Schriftform erhält das Dokument damit erst, sobald es ausgedruckt dem Gericht vorliegt. Dass der Verfahrensbeteiligte, der das elektronische Dokument eingereicht hat, keinen Einfluss darauf hat, wann der Ausdruck erfolgt, erfordert keine andere Beurteilung. Denn er hat sich einer Übermittlungsform bedient, die weder die Voraussetzungen für vorbereitende Schriftsätze nach § 130 ZPO noch die eines elektronischen Dokuments nach § 130 a ZPO erfüllt.

Fachanwalt für IT-Recht Jens Ferner