LG Freiburg, Urteil vom 06.06.2011 – 7 Ns 85 Js 4476/09 AK 129/10
Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
- Der Angeklagte wird wegen Volksverhetzung in 12 Fällen, wegen Beleidigung in 3 Fällen und wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
- Die Berufung des Angeklagten wird verworfen.
- Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 18.10.2010 wurde der Angeklagte wegen Beleidigung in 3 Fällen, wegen Volksverhetzung in 13 Fällen und wegen öffentlicher Aufforderung von Straftaten zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30,– Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft jeweils form- und fristgerecht Berufung ein. Das Rechtsmittel des Angeklagten, der einen Freispruch erstrebte, blieb ohne Erfolg. Die Berufung der Staatsanwaltschaft führte zu einer höheren Bestrafung.
II.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen.
Der Angeklagte wurde 1946 in B. geboren. Er ist ledig und hat keine Kinder. Nach dem Schulbesuch (wird ausgeführt).
Der Angeklagte ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im Einzelnen ist er wie folgt vorbestraft:
[…]
III.
In der Berufungshauptverhandlung wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte ist Inhaber des E-Mail-Accounts www@xxx.de. Mit diesem Account nahm er an Diskussionen in der öffentlich zugänglichen Newsgroup https://groups.google.com/group/de.soc.politik.misc teil, bei der – in Form eines hybriden „E-Mail-Chats“ – ein Austausch über politische Themen stattfindet. Dort postete der Angeklagte unter Verwendung der genannten E-Mail-Adresse im Zeitraum Dezember 2007 bis zum Februar 2009 insgesamt 323 Beiträge. Auf Grund jeweils neu gefassten Willensentschlusses tätigte der Angeklagte dort von seiner Heimadresse in B. aus schriftlich die nachfolgenden Äußerungen, wohl wissend, dass sie öffentlich erscheinen und der Öffentlichkeit auf Dauer zugänglich sein würden.
Anmerkung: Die folgenden (langen) Feststellungen wurden nicht übernommen, da sie in der rechtlichen Würdigung erneut auftauchen und somit die Übersichtlichkeit gewahrt wird. Weiter dann unter „V.“.
IV.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung eingeräumt, sämtliche dieser Newsgroup-Threads in https://groups.google.com/group/de.soc.politik.misc eröffnet zu haben. Er gab weiterhin zu, dass sämtliche der oben aufgelisteten Posts von seinem heimischen Internet-Anschluss verfasst wurden. Die Kammer hatte keinen Anlass, an diesem freimütigen Geständnis des Angeklagten zu zweifeln. Die entsprechenden Interneteinträge wurden in der Berufungshauptverhandlung verlesen.
Der Angeklagte ist gemäß seiner in der Berufungshauptverhandlung geäußerten Ansicht der Überzeugung, dass die oben aufgelisteten Newsgroup-Posts jeweils von seiner verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG verbürgten Meinungsfreiheit gedeckt und damit strafrechtlich nicht zu ahnden sind. Demgegenüber vertritt die Kammer die Auffassung, dass die Äußerungen des Angeklagten von Art. 5 GG nicht gedeckt sind.
V.
Bei umfassender rechtlicher Würdigung erfüllen zwölf der oben aufgeführten Äußerungen in der Newsgroup de.soc.politik.misc den Tatbestand der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 a) bis d), Nr. 2 StGB.
Newsgroup-Beiträge der hier gegenständlichen Art sind Schriften im Sinne von §§ 130 Abs. 2 Nr. 1, 11 Abs. 3 StGB, die gem. § 130 Abs. 2 Nr. 2 mittels des Internet als Medien- oder Teledienst (nunmehr: Telemedium, vgl. § 1 Abs. 1 TelemedienG) verbreitet werden. Als öffentlich zugängliche „Forenbeiträge“, die zunächst in Form einer E-Mail gepostet werden, sind die jeweiligen Äußerungen sinnlich wahrnehmbare, dauerhafte Verkörperungen von gedanklichen Inhalten (vgl. BGHSt 13, 375). Eine Verbreitung, d.h. ein Zugänglichmachen für eine vom Täter nicht (mehr) kontrollierbare Vielzahl von potentiellen Empfängern, liegt – wegen der fortbestehenden Empfangsmöglichkeit in Deutschland – unabhängig davon vor, in welchem Staat der Server steht (vorliegend: Mountain View/CA/USA) und welcher Jurisdiktion er unterfällt (vgl. BGH NStZ 2007, 217; OLG Stuttgart, CR 2008, 543; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 130 Rn 7).
Zur Tat Nr. 1.
Wegen seiner Äußerung „Ein gewisser T. hetzt im jüdischen Wochenblättchen gegen das deutsche Bildungssystem. Was ich daran gut finde? Das jüdische Wochenblättchen ,Der Spiegel‘ muss offensichtlich immer öfter auf Juden und andere Kanaken zurückgreifen, um gegen Deutsche zu hetzen“ ist der Angeklagte der Volksverhetzung schuldig.
Der Angeklagte macht die in Deutschland lebenden Juden zwar böswillig verächtlich; der Grad der Diffamierung erreicht jedoch nicht die für die Feststellung einer Beeinträchtigung der Menschenwürde notwendige Erheblichkeit.
Die in Deutschland lebenden Juden sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein „Teil der Bevölkerung“ (vgl. BGH NJW 1961, 1364, 1365 ; BGH NStZ-RR 2006, 305 ) sowie eine „religiöse Gruppe“ (Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn. 13) im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB, da sie sich auf Grund des gemeinsamen, jedenfalls inneren Merkmals der jüdischen Religions- und Volkszugehörigkeit als eine von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen, die zumal von einiger zahlenmäßiger Erheblichkeit, d.h. individuell nicht mehr überschaubar ist. Vor diesem Hintergrund geht die Einlassung des Angeklagten fehl, er habe die Juden nicht „auf Grund ihrer Religion“, sondern „politisch“ angegangen: eine Diffamierung „der Juden“ betrifft jene sowohl als in der Bundesrepublik auszumachenden Bevölkerungsteil als auch als Religionsgemeinschaft.
Dass die Äußerung des Angeklagten, das „jüdische Wochenblättchen“ müsse auf „Juden und andere Kanaken zurückgreifen, um gegen Deutsche zu hetzen“, sich gegen die in der Bundesrepublik lebenden Juden richtet, folgt daraus, dass der „Spiegel“ eine deutsche Zeitschrift mit dem hierzulande höchsten Verbreitungsgrad ist.
Durch seine Äußerung, das „jüdische Wochenblättchen ,Der Spiegel'“ müsse „offensichtlich immer öfter auf Juden und andere Kanaken zurückgreifen, um gegen Deutsche zu hetzen“, macht der Angeklagte diese Bevölkerungs- und Religionsgruppe böswillig verächtlich. Unter diese Tatbestandsvariante fällt die aus verwerflichen Beweggründen erfolgte Darstellung anderer als verachtenswert, minderwertig oder unwürdig (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 130 Rn 11 m.w.N.). Bereits auf dieser – tatbestandlichen – Ebene ist auf Grund ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in eine erste Abwägung mit der grundrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs.1 S. 1 Alt. 1 GG einzutreten, um – auf einer ersten Stufe – den objektiven Sinngehalt der vom Angeklagten getätigten Äußerung zu ermitteln. Diese Sinnermittlung muss aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums erfolgen (vgl. BVerfG-K, Beschl. v. 04.02.2010 – 1 BvR 369/04, 1 BvR 370/04, 1 BvR 371/04, Orientierungssatz 2a m.w.N.). Aus dieser objektiven Warte ist vorliegend ein Sinngehalt auszumachen, der die Juden in Deutschland als verachtenswert darstellt. Sie werden solcherart präsentiert, dass sie vermittels der Zeitschrift „Der Spiegel“ als eines von ihnen kontrollierten, minderwertigen Publikationsorgans („Wochenblättchen“) in absichtsvoller, feindseliger Weise mobil machten („hetzen“). Diese Hetze werde von „Juden und anderen Kanaken“ – mithin, im Duktus des Angeklagten, minderwertigen Ausländern, zu denen auch die Juden zählten – ausgeübt. Dem unvoreingenommenen Betrachter wird suggeriert, die (schimpflich bezeichneten) Juden stünden dem deutschen Volk feindselig gegenüber. Indem ferner keine sachliche Auseinandersetzung mit der von T. vorgebrachten Kritik am deutschen Bildungssystem erfolgt, sondern die Diffamierung der Juden im Vordergrund steht, erfolgt die Äußerung aus verwerflichen Motiven. Andere Deutungsvarianten sieht die Kammer insofern als ausgeschlossen.
Indes ist ein Angriff auf die Menschenwürde der solcherart diffamierten Juden vorliegend nicht ersichtlich. An die Feststellung eines Angriffs auf die in Art. 1 Abs. 1 GG als unantastbar affirmierte Menschenwürde sind nämlich hohe Anforderungen zu stellen. Als Grundprinzip allen Zusammenlebens unter dem Grundgesetz ist diese vollends abwägungsfest – ein Eingriff in die Menschenwürde ist keiner Abwägung oder Rechtfertigung zugänglich. An die Feststellung einer Menschenwürdeverletzung durch ein Verhalten, das – prima facie – dem Gebrauch eines Kommunikationsgrundrechts wie z.B. der Meinungsäußerungsfreiheit unterfällt, sind daher strenge Maßstäbe anzulegen; zumal, wenn aus dieser Feststellung eine strafrechtliche Sanktionierung erwächst (vgl. zuletzt BVerfG-K, Beschl. v. 04.02.2010 – 1 BvR 369/04, 1 BvR 370/04, 1 BvR 371/04, Tz. 29, 30 m.w.N. – st. Rspr.). Angriffe auf die Menschenwürde können dabei in Behandlungen von Menschen bestehen, die deren Subjektqualität grundlegend in Frage stellen, indem sie sie beispielsweise erniedrigen, brandmarken oder in einer Weise verfolgen und ächten, die ihnen schlechterdings ihren Achtungsanspruch als Menschen absprechen. Solche entwürdigende Behandlungen können dabei nicht nur seitens des Staates, sondern auch durch Private erfolgen (vgl. BVerfG-K, a.a.O. Tz. 31). Die Eingriffsqualität – zumal einer Meinungsäußerung – muss somit substantiell sein. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt hierfür nicht, dass infolge einer Meinungsäußerung die Ehre bzw. das (weiter verstandene) allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Person oder Personenmehrheit angegriffen wird (vgl. BGH, Urt. v. 03.04.2008 – 3 StR 394/07 – Tz 17 [[…]]; BGHSt 36, 83, 90). Erforderlich ist vielmehr, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird (vgl. BVerfG-K, a.a.O. Tz. 31), mithin ihr „Menschtum“ bestritten, in Frage gestellt oder relativiert wird (vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 173, 2 . Leitsatz m.w.N.). Eine schlichte Beleidigung reicht hierzu nicht aus, selbst, wenn sie heftig und plakativ ist (vgl. BVerfG, NJW 2008, 2907, 2909).
Diese Eingriffstiefe erreicht die Äußerung des Angeklagten, das „jüdische Wochenblättchen ,Der Spiegel'“ müsse „offensichtlich immer öfter auf Juden und andere Kanaken zurückgreifen um gegen Deutsche zu hetzen“, indes nicht. Das Belegen der – und damit jedes einzelnen – Juden in Deutschland mit dem Schimpfwort „Kanake“ und die Unterstellung, diese würden gegen Deutsche hetzen, stellen ehrverletzende Schmähungen dar, indem sie den gesellschaftlichen Achtungsanspruch der Kollektivmitglieder schmälern. Damit werden den Geschmähten vorwerfbare Charakterzüge und Handlungen unterstellt, die sie zwar herabwürdigen, jedoch nicht ihr Lebensrecht und ihr Menschsein als solches in Abrede stellen.
Der Angeklagte stachelte jedoch im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB zum Hass gegen die in Deutschland lebenden Juden auf.
Aufstacheln zum Hass ist hierbei die Einwirkung auf Sinne und Leidenschaften, aber auch auf den Intellekt, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt ist, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betreffenden Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu steigern (vgl. BGHSt 21, 372; 40, 102). Es muss sich dabei um eine Stimmungsmache handeln, die zugleich den geistigen Nährboden für die Bereitschaft zu Exzessen gegenüber der betroffenen Bevölkerungsgruppe liefert (BGHSt 31, 231; vgl. auch BGHSt 40, 101, sowie Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn 5a m.w.N.).
Bei Zugrundelegung des oben ermittelten Sinngehalts der Äußerung des Angeklagten suggeriert dieser, die Juden als schimpfliche, von den Deutschen wesensverschiedene Gruppierung würde mittels der Zeitschrift „Der Spiegel“ als eines von ihnen kontrollierten Presseorgans in feindseliger Willensrichtung gegen die deutsche Bevölkerung hetzen. Diese Äußerung stellt eine Einwirkung auf jedweden Empfänger dar, die eine feindselige Haltung hervorzurufen geeignet ist. „Die Juden“ als klar von „den Deutschen“ abgrenzbare Gruppierung, die zudem feindselig gegen die Deutschen hetzen, stellen für diese letzteren somit eine Gefahr dar, der – quid pro quo – ebenfalls feindselig zu begegnen ist.
Dieser Befund bleibt auch bei abermaliger Betrachtung und Abwägung im Lichte der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG unverändert. Unabhängig davon, ob die Äußerung des Angeklagten als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung zu gelten hat, unterfällt sie im Grundsatz dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit (vgl. BVerfG, NJW 2003, 660, 661 ; Dreier/ Schulze-Fielitz, Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 2. Aufl. 2004, Art. 5 I, II Rn 65). Diese wird durch § 130 Abs. 2 StGB als allgemeingesetzliche Schranke i.S.d. Art. 5 Abs. 2 beschränkt. Gemäß der sog. Wechselwirkungslehre des BVerfG, die in der Sache eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt, muss die beschränkende Schrankenregelung wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit ausgelegt werden (vgl. BVerfG-K, a.a.O. Tz. 27; BVerfGE 7, 198, 208 f. ). Bereits die Tatbestandsmerkmale der einfachgesetzlichen Normen werden solcherart zugunsten der Meinungsfreiheit interpretiert, dass sie einer „Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede“ genügen (BVerfGE 54, 129, 137 ). In der Sache gebietet dieses Erfordernis, dass in einem zweiten Abwägungsschritt – nach der Ermittlung des Sinngehalts einer Aussage, wie sie sich für einen verständigen Dritten darstellt – zumindest bei einer mehrdeutigen Äußerung gemäß der so genannten Günstigkeitshypothese die der Ausübung der Meinungsfreiheit günstigste Lesart ermittelt und der strafrechtlichen Bewertung zu Grunde gelegt wird, wenn nicht überzeugende Gründe dagegen – und also für eine weniger „meinungsgünstige“ Lesart – sprechen (BVerfGE 82, 43, 52). Die gegenständliche Äußerung des Angeklagten ist indes einer „meinungsgünstigeren“ Äußerung schlechterdings nicht zugänglich. Ein ironisierender, ggf. satirischer Zug ist nicht erkennbar. Selbst, wollte man – was der Aussage indes widerspricht – verstehen, dass der Angeklagte die „Hetze durch Juden gegen Deutsche“ gutheißt („Was ich daran gut finde?“), bleibt doch dieser objektive Sinngehalt – dass eine solche Hetze nach Ansicht des Angeklagten stattfindet – unangetastet. Jener Sinngehalt ist geeignet, bei potentiellen Adressaten und Empfängern in der Öffentlichkeit Feindseligkeit gegen Juden hervorzurufen.
Insbesondere kann aus rechtlichen Gründen kein Zweifel an der objektiven Eignung der Äußerung bestehen, eine feindselige Haltung gegen die jüdische Bevölkerung zu erzeugen. Nicht erforderlich ist zunächst, dass die zum Hass aufstachelnde Äußerung dazu intendiert oder auch nur geeignet sein muss, ihre Adressaten zu Gewalt oder militantem Widerstand gegen die betroffene Bevölkerungsgruppe aufzurufen (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.02.2010 – 2 Ws 323/09 – Tz. 51 [[…]]; OLG Brandenburg, NJW 2002, 1440). Es genügt das Hervorrufen einer emotional feindseligen Haltung. Nicht von Belang ist hierbei eine konkrete „Erfolgseignung“ im Sinne einer nachweislichen Tendenz zur Erzeugung von Hassgefühlen bei konkret bestimmbaren Personen. § 130 Abs. 2 StGB ist von seiner Typik her ein abstraktes Gefährdungsdelikt; die Vorschrift sanktioniert die abstrakte Gefährlichkeit der Verbreitung von Schriften, die eine Erzeugung von Hass bezwecken, bereits wegen der dieser Tendenz innewohnenden (Sozial-)Gefährlichkeit (vgl. BeckOK StGB/ Rackow, 14. Ed./Feb. 2011, § 130 Rn. 23; Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn 1a).
Vor diesem Hintergrund kann auch die Einlassung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nicht verfangen, wonach der Diskussionston in der Newsgroup de.soc.politik.misc generell ruppig sei und sich alle Teilnehmer in sehr unverblümter, auch vulgärer Weise äußerten. Zuzugeben ist dem Angeklagten hierbei, dass die einzelnen Konversationen (Threads) in der Newsgroup selten bei der Sachdiskussion bleiben, die Teilnehmer sich vielmehr vermehrt gegenseitig beleidigen. Nicht selten bezeichnen die rund 20 „Stamm-Teilnehmer“ sich gegenseitig als Müll, Dreck etc. – überwiegend wird der Angeklagte in der Newsgroup – in Abwandlung seines Familiennamens – denn auch als „Titte“ bezeichnet. Dieser Tonfall wird offenbar einvernehmlich und relativ konsistent verwandt. Im Rahmen eines derartigen, so genannten „flame war“ ist es deshalb grundsätzlich nicht angängig, die Beiträge der Teilnehmer für bare Münze zu nehmen und aus dem Kontext der Newsgroup losgelöst zu betrachten.
Ein anderes gilt indes für die hier gegenständlichen Beiträge des Angeklagten. Diese stellen keine Reaktionen auf eine bereits laufende Diskussion dar, welche gleichsam „aus dem Affekt heraus“ dem vorherrschenden Tonfall angepasst sein könnten; vielmehr stellen sämtliche zur Anklage gestellten Newsgroup-Beiträge ausnahmslos den Beginn einer Debatte (eines neuen Thread) dar, wobei der Angeklagte eine Äußerung frei in den Raum stellt, mithin ihren situativen Kontext selbst bestimmt. Seine Wortwahl und die damit gewählte Intention sind ihm in diesem Stadium voll zuzurechnen. Vor allem aber bewegen sich diese Äußerungen nicht im Rahmen (einvernehmlicher) gegenseitiger Beleidigungen der Teilnehmer, sondern es werden in einem öffentlich zugänglichen Forum Dritte in einer Weise geschmäht, die – wie gezeigt – geeignet ist, den objektiven Tatbestand des § 130 Abs. 2 StGB grundsätzlich zu erfüllen. Weiterer Beleg für die Eignung der Beiträge des Angeklagten, zum Hass gegen die Bevölkerungsgruppe und Religionsgemeinschaft der Juden in Deutschland aufzustacheln, sind vereinzelte billigende, auch umfassend unterstützende Kommentare anderer Nutzer.
Ebenso unerheblich ist aus diesen Gründen, dass das „Stammpublikum“ der Newsgroup lediglich ca. zwei Dutzend Teilnehmer umfasst. Alle Beiträge des Angeklagten, die zur Anklage stehen, waren auch zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung mit wenigen Klicks und Sucheingaben öffentlich zugänglich. Notwendig, aber auch hinreichend für die Erfüllung des Tatbestandes des § 130 Abs. 2 StGB ist ebendies: dass der Beitrag durch Verbreitung einer unbestimmten Öffentlichkeit zugänglich ist.
Der Beitrag war auch dazu bestimmt, zum Hass gegen die Bevölkerungs- bzw. Religionsgruppe der in Deutschland lebenden Juden anzustacheln. Er ist insofern – wie bereits vom Wortsinn des „Aufstachelns“ – von Absicht getragen (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl. 2011, § 130 Rn 7; Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn 14, 24). Zwar stellt der Angeklagte in Abrede, die in Deutschland lebenden Juden ihres Glaubens wegen diffamiert zu haben, und beruft sich allein auf robuste, politische Motive. Allein die bewusst gewählte Wortwahl des Angeklagten, deren Sinn eindeutig ist, belegt indes zur Überzeugung der Kammer, dass die Äußerung subjektiv dazu bestimmt war, eine feindselige Haltung beim Leser zu erzeugen oder zu steigern.
Zur Tat Nr. 2.
Durch seine Äußerung mit dem Inhalt „Was würde passieren, wenn alle Juden aus Deutschland verschwänden? Naja, man darf ja mal von einer Welt ohne Diffamierung, Denunziation, Lügen, Betrügen und Fälschen träumen“ hat der Angeklagte sich wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
Mit seiner Äußerung hat er die Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland böswillig verächtlich gemacht, d.h. aus verwerflichen Beweggründen als verachtenswert, minderwertig oder unwürdig dargestellt. Aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsadressaten, der sich mit dieser Aussage konfrontiert sieht, stellt der Angeklagte – lediglich und allein – die Juden in Deutschland als Denunzianten, Lügner, Betrüger und Fälscher dar, die ihre Mitmenschen diffamieren, während im Umkehrschluss den übrigen Bevölkerungsgruppen entweder bereits die Fähigkeit zu solch liederlichem Verhalten fehlt oder sie zumindest nicht davon Gebrauch machen. Verschwänden die Juden aus Deutschland, so würde die Welt – verstanden als das Lebensumfeld des Angeklagten – von diesen Lastern frei. Indes einzig die Juden diese Häufung negativer, manipulativer Charaktereigenschaften aufweisen, die zudem (neo-)nazistischen Klischees entsprechen, stellt der Angeklagte sie als verachtenswert und minderwertig sowie, da die Gesellschaft ohne sie weit besser dran wäre, als eines gleichberechtigten Zusammenlebens unwürdig dar. Diese Meinungsäußerung des Angeklagten erfolgt, da von keiner erkennbaren Basis außer Antisemitismus getragen, aus verwerflichen Beweggründen.
Einer meinungsfreundlichen Auslegung i.S.d. Günstigkeitshypothese ist die Aussage des Angeklagten wegen ihrer Eindeutigkeit in den ermittelten, relevanten Punkten nicht zugänglich. Eine Möglichkeit einer „milderen“ Auslegung ist nicht ersichtlich.
Zum einen nämlich ist die Äußerung des Angeklagten bar jeder Ironie oder satirischer Überzeichnung; trotz ihres plakativen Charakters ist sie ernst gemeint. Zum anderen wird der Aussagegehalt nicht dadurch „gelindert“, dass der Angeklagte keinen Schritt dahin unternimmt oder Wunsch diesbezüglich äußert, eine „Welt ohne Juden“ tatsächlich herbeizuführen. Er gibt zu erkennen, dass er von einer idealisierten „Welt ohne Juden“ nur „träumen“ könne, ihre Realisierung also – bei der meinungsfreundlichsten Auslegung der Äußerung – weder aktiv erstrebt noch überhaupt für möglich erachtet. Dies ändert indes nichts an der oben herausgestellten Diffamierung der Juden in Deutschland.
Das derart – auch im Lichte der Meinungsfreiheit festzustellende – böswillige Verächtlichmachen verletzt auch die Menschenwürde der in Deutschland lebenden Juden. Eine weitere Abwägung mit der Meinungsfreiheit verbietet sich mit dieser Feststellung, da die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG keiner Abwägung und Relativierung zugänglich ist (vgl. nur BVerfG, NJW 1008, 2907, 2909).
Indem der Angeklagte die Juden – und dabei jeden einzelnen für sich – in Kontrast zu den Nichtjuden durch die Bank als Lügner, Betrüger, Denunzianten etc. darstellt, deren „Verschwinden“ all diese Laster – Lügen, Betrügereien, Denunziationen – ausmerzen würde, spricht er ihnen schlechterdings ihren Achtungsanspruch als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft ab, indem er die Juden – mit all ihren vorgeblich verwerflichen Zügen – mit den übrigen Menschen kontrastiert, die diese Züge nicht aufweisen, sondern als Opfer unter ihnen leiden. Diese Schmähung geht über eine einfache Ehr- bzw. Persönlichkeitsrechtsverletzung hinaus, wie sie groben Beleidigungen jedenfalls auch innewohnt. Indem das Verschwinden aller Juden – und sei es als „Utopie“ – herbeigesehnt wird, damit die Gesellschaft nicht weiter unter ihnen leiden möge, werden sie als unterwertige und unerwünschte Wesen dargestellt. Durch die Kontrastfolie aller anderen, moralisch „besseren“ Menschen wird gleichsam ihr „Menschtum“ in diesem Sinne bestritten.
Zur Tat Nr. 3.
Indem der Angeklagte im Rahmen der o.g. Newsgroup öffentlich schrieb: „Der SPD-Mischling E. befiehlt: Alle Deutschen sind Nazis. Und die System-Lumpen der Massenmedien brüllen: Jawoll mein Führer E.“, hat er sich wegen Beleidigung gem. § 185 StGB strafbar gemacht.
Die §§ 185 ff. StGB schützen das Rechtsgut der persönlichen Ehre einzelner Menschen oder von Personenmehrheiten. Systematisch erfordern die §§ 186, 187 StGB, die gegenüber § 185 StGB Spezialvorschriften darstellen, eine Beleidigung gegenüber einem Dritten in Form einer Tatsachenbehauptung. § 185 StGB, der als Grund- und Auffangtatbestand fungiert, stellt demgegenüber vor allem beleidigende Meinungsäußerungen unter Strafe (vgl. BeckOK StGB / Valerius, 14. Edition – Stand 01.02.2011, § 185 Rn 14 f.).
Unter Anlegung dieser Maßstäbe ist auf die vorliegende Äußerung ausschließlich § 185 StGB anzuwenden. Sie stellt eine Meinungsäußerung dar. In Abgrenzung zu Tatsachenbehauptungen, die auf ihre Wirklichkeitstreue und Richtigkeit hin objektiv überprüfbar sind, werden Meinungsäußerungen durch ein wertendes Element des Meinens und Dafürhaltens geprägt. Als Werturteil sind sie keiner Wahrheitsprüfung zugänglich. Für die Einordnung einer Aussage als Meinungsäußerung oder Werturteil ist die Sichtweise eines unbefangenen, durchschnittlichen Adressaten maßgeblich. Aus dessen Warte kommt es dem Angeklagten nicht darauf an, den Bundestagsabgeordneten E., dessen Vater aus Indien stammt, in einem nicht näher konkretisierten ,technischen Sinne‘ als „Mischling“ zu bezeichnen oder zu behaupten, er würde tatsächlich ,Führerbefehle‘ erlassen und von den Medien als „Führer“ gehandelt werden. Vielmehr bringt der Angeklagte seine persönliche Bewertung von Handlungsweise und Person des Abgeordneten E. zum Ausdruck, tätigt somit ein Werturteil.
Damit verletzt der Angeklagte in Erfüllung des Tatbestandes des § 185 StGB den Abgeordneten E. in seiner Ehre, indem er gegenüber Dritten – jedwedem Leser des Newsgroup-Beitrags – seine Missachtung bzw. Nichtachtung der Person E. kundtut. Dies geschieht durch die Unterstellung von Mängeln, die, wenn sie zuträfen, den inneren oder äußeren, d.h. gesellschaftlichen Achtungsanspruch des solcherart Geschmähten und mithin seine Ehre beschneiden würden (vgl. BGHSt 36, 145, 148). Der Sinngehalt der Äußerung ist dabei aus Sicht eines verständigen, durchschnittlichen Empfängers zu ermitteln (vgl. BGHSt 19, 235, 237; BGH NJW 1998, 3047, 3048 ). Der Angeklagte äußert über den Abgeordneten E., er würde als „Führer“ und gleichsam per ,Führerbefehl‘ – somit gänzlich vergleichbar mit dem „Führer“ Adolf Hitler – den Massenmedien, die ihm (gleichgeschaltet) in seiner Funktion Gehorsam leisten, aufgeben, dass alle Deutschen Nazis bzw. als solche zu behandeln seien. Dabei bezeichnet der Angeklagte – selbst von der nationalsozialistischen Rassenideologie inspiriert – den Abgeordneten E. abwertend als „Mischling“. Mit dieser Häufung von – einerseits – dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch entspringenden Schmähungen und – andererseits – dem Vorwurf an den Geschmähten, selbst gleich dem „Führer“ zu agieren und Deutsche als Nazis darzustellen, spricht der Angeklagte dem Abgeordneten E. auf massive Weise seinen inneren wie sozialen Achtungsanspruch ab. Indem er die gegenständliche Äußerung öffentlich zugänglich ins Internet einstellte, gab er sie überdies kund. Er tat dies wissentlich und willentlich.
Angesichts des offen als Schmähkritik intendierten Inhalts der Äußerung – anders kann die Gleichstellung des Bundestagsabgeordneten E. mit dem „Führer“ unter keinem Gesichtspunkt gewertet werden – besteht insbesondere keine Möglichkeit, auf der Sinnebene zu einer anderweitigen Auslegung zu gelangen.
Der Angeklagte ist nicht durch ein Handeln in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB gerechtfertigt. Dieser Rechtfertigungsgrund ist grundsätzlich auf abwertende Werturteile anwendbar. Unabhängig von seinem genauen sachlichen Umfang endet der Rahmen einer Rechtfertigung jedenfalls dort, wo sich die ehrverletzende Äußerung als reine Schmähkritik darstellt und alle Sachlichkeit missen lässt, sondern vielmehr die Schmähung des Betroffenen in den Vordergrund stellt (vgl. BVerfGE 82, 272, 284 ; BVerfG NJW 2006, 3760). Obgleich sich der Angeklagte zu einer politisch tätigen Persönlichkeit äußert, tut er dies ohne irgendeinen Bezug zu einer (politischen) Sachmaterie oder auch nur in Anknüpfung an einen inhaltlichen Themenkomplex. Die Beschimpfung des Abgeordneten E. steht vielmehr allein im Vordergrund.
Zur Tat Nr. 4.
Wegen der Äußerung „das Lügen hat dieses Stück Scheiße vom Juden gelernt“ ist der Angeklagte der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig. Ein verständiges Durchschnittspublikum muss die Äußerung in dem Sinne verstehen, dass der Jude, verstanden als alle Juden, beständig lügt. Diese Auslegung wird durch den verlinkten Artikel gestützt, der davon handelt, dass ein Mädchen („dieses Stück Scheiße“) einen Neonazi-Anschlag erfunden, also gelogen hatte. Diese Art zu lügen sollen die Juden dem Mädchen beigebracht haben, wobei offen bleibt, ob tatsächlich ein Lehr- und Lernprozess stattgefunden hat oder aber das Mädchen sich das Lügen eigeninspiriert „vom Juden“ abgeschaut haben soll. Indem „der Jude“ als Lehrmeister einer negativen Eigenheit, die sich ein „Stück Scheiße“ aneignet, dargestellt wird, wird er mit dem primär geschmähten Mädchen gleichsam gleichgesetzt und ebenso wie dieses noch weiter herabgewürdigt.
Zu einem weniger belastenden Ergebnis gelangt indes eine „meinungsfreundliche“ Auslegung der Äußerung. Sie lässt sich auch insofern verstehen, als dass „der Jude“ – abstrakt – die Fähigkeit zu lügen besitze. Dies muss jedoch nicht sein immerwährender Kommunikationsmodus sein, sondern kann ebenso einen Hang darstellen. Das Lügen – in einer Form, die Neonazis inkriminiert – hat sich das Mädchen nach dieser kommunikationsfreundlichen Lesart selbst angeeignet, indem es die „jüdische Neigung“ des Lügens kopiert hat. So verstanden, wird den Juden „nur“ vorgeworfen, sie besäßen einen Hang zum Lügen, der für charakterlich nicht gefestigte Individuen nachahmenswert erscheint.
Nach dieser Lesart ist eine Menschenwürdeverletzung ausgeschlossen, da auch eine pauschalisierte Schmähung dergestalt, eine Bevölkerungsgruppe neige zu Lügen, nicht deren gleichwertiges Menschsein tangiert.
Die obige Äußerung stachelt jedoch im Sinne von § 130 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB zum Hass gegen die in Deutschland lebenden Juden auf. Die Behauptung, der gesamte Bevölkerungsteil der Juden neige zum Lügen, ist geeignet und dazu bestimmt, bei hierfür empfänglichen Adressaten eine über bloße Ablehnung hinausgehende feindselige Haltung gegen die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen. Denn nicht genug damit, dass jeder, der dieser Äußerung Glauben schenkt, bei jedem Kontakt mit Juden damit soll rechnen müssen, belogen und unredlich behandelt zu werden – ein darüber hinausgehendes, zur Erzeugung von Hass geeignetes Bild entsteht aus dem gesamten situativen Kontext der Äußerung, indem gerade diese(r Hang zu) Lügen zur willkürlichen Verdächtigung Unschuldiger zu schwerwiegenden Straftaten führen soll. Die Juden in Deutschland sollen, kurz, nicht lediglich harmlose Lügen (sog. white lies ) äußern, sondern dergestalt die Wahrheit entstellen, dass dadurch unschuldige Dritte (hier: die inkriminierten angeblichen Neonazis) sich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sehen können.
Zur Tat Nr. 5.
Die Eröffnung eines Threads mit der Äußerung „Der Jude ist ein notorischer Lügner“ erfüllt den Straftatbestand des § 130 Abs. 2 Nr.1 StGB. Die Aussage „Der Jude ist ein notorischer Lügner“ – in Verbindung mit einem Presseartikel, der ein zumindest zwiespältiges Aussageverhalten eines Rabbiners, der Opfer einer Messerattacke geworden war, im Rahmen einer Strafverhandlung dokumentiert – lässt, selbst bei meinungsgünstigster Auslegung, an ihrem Aussagekern keinen vernünftigen Zweifel: „Der Jude“ – wiederum verstanden als (jedenfalls) die Gesamtheit der in Deutschland lebenden Juden – ist offenkundig und allgemein bekannt ein Lügner. Dies gilt unter Einbeziehung des Presseartikels selbst und gerade dann, wenn strafrechtlich relevante Sachverhalte betroffen sind, die Dritten zum Nachteil gereichen können.
Hiermit stachelt der Angeklagte zielgerichtet zu Hass gegen die Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland an. Potentiellen Empfängern der Aussage wird damit nahegelegt, dass die ständige Unredlichkeit der jüdischen Bevölkerung gleichsam allgemeinbekannt sei (so die lexikalische Definition von ,notorisch‘). Diese erstrecke sich auch auf Sachverhalte von großer Wichtigkeit, wie durch den Verweis auf die Strafverhandlung bekundet wird. Das gesellschaftlich geordnete Zusammenleben mit einer solchen Bevölkerungsgruppe, die – sei es allgemein, sei es zum eigenen Vorteil – beständig lügt, ist schlechterdings nicht möglich und muss zwangsläufig die „redlichen Übrigen“ sowie die Institutionen schädigen, die zur Bewältigung und Ordnung einer komplexen Gesellschaftsordnung auf zutreffende Informationen angewiesen sind. Der Glaube, dass die in Deutschland lebenden Juden ständig unredlich sind – und damit zwangsläufig zum Nachteil der Gesamtgesellschaft operieren – ist in hohem Maße zum Hervorrufen von Feindseligkeit geeignet. Zum anderen bedient der Angeklagte mit seiner Äußerung bekannte antisemitische Klischees, die bei solchen Adressaten, die empfänglich für derartige Parolen sind, durch den Wiederholungseffekt umso mehr verfangen (allein aus den Äußerungen des Angeklagten).
Zur Tat Nr. 6.
Das Einstellen des Kommentars „Der deutsche Richterdreck wurde vom Juden eingestellt wie ein Pawlowscher Hund: Deutsche sind Scheiße, Kanaken gut“ erfüllt den Straftatbestand des § 130 Abs. 2 Nr.1 StGB. Aus Sicht eines verständigen Publikums stellt sich der objektive Sinngehalt dieser Aussage wie folgt dar: Die deutsche Richterschaft ist „Dreck“. Entgegen dem (in Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten) Gebot der richterlichen Unabhängigkeit sind die Richter – wissentlich oder unwissentlich – „dem Juden“ untertan, der sie im Sinne einer instinkthaften Konditionierung – also wie Pawlow’sche Hunde – dahingehend „einstellt“, stets und regelhaft gegen Deutsche und für „Kanaken“ zu entscheiden. Was der Angeklagte mit „Kanaken“ meint, ergibt sich aus seiner Äußerung bei der Tat Nr. 1 („Juden und andere Kanaken“); von diesem Schmähbegriff sind nach der Vorstellung des Angeklagten nicht nur Ausländer südländischer Provenienz umfasst, sondern u.a. auch Juden. Somit wird zunächst dem Berufsstand der Richter in Deutschland unterstellt, ohne eigene Reflexion gegen „Deutsche“ zu entscheiden und zugunsten von „Juden und anderen Nicht-Deutschen“. In der Summe seien deutsche Richter damit – hierdurch oder bereits von vornherein – minderwertig. Den Juden (in Deutschland) wird dabei attestiert, als „Strippenzieher“ die Konditionierung der Richter gegen die Deutschen und für ihresgleichen zu betreiben und damit der Rechtsbeugung Vorschub zu leisten.
Unter dem Vorzeichen einer meinungsfreundlichen Auslegung im Sinne der „Günstigkeitshypothese“ ergibt sich in den relevanten Wertungen der Aussage nichts anderes. Unmissverständlich bleibt die Aussage, der Berufsstand der deutschen Richter sei zumindest geringwertig; angesichts der Pauschalität der Aussage besteht kein vernünftiger Raum für eine Auslegung derart, dass nur eine geringe Teilmenge der deutschen Richter – eben jene, die in Abgrenzung zu der Mehrzahl tatsächlich „Dreck“ sind – gemeint sein kann, die den Manipulationen der Juden zugänglich ist. Ebenso wenig Stütze im Wortlaut der Äußerung findet eine Auslegung, der gemäß die Konditionierung der Richter durch „den Juden“ nur in den privaten Bereich wirkt, also nicht in den richterlichen Entscheidungen Niederschlag findet und in Rechtsbeugung resultieren kann. Zwar zeichnet es den Berufsstand der Richter gerade aus, in ihrer Verantwortung nur gegenüber den Gesetzen – Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG – zwischen Gesetzesauslegung und eigener, persönlicher Meinung differenzieren zu können und zu müssen; indes ist offensichtliches Anliegen des Angeklagten, darauf aufmerksam zu machen, dass ebendies nicht geschieht.
Unter diesem Vorzeichen und unter Ausschluss anderer Deutungsmöglichkeiten stellt diese Äußerung ein Aufstacheln zum Hass gegen die Bevölkerungsteile der in Deutschland lebenden Juden sowie des Berufsstands der Richter dar. Auch der Berufsstand der Richter ist eine auf Grund dieses gemeinsamen Merkmals von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe von einiger Erheblichkeit (Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn. 4). Bei hierfür empfänglichen Personen muss sich bei Lektüre des Zitats der Eindruck aufdrängen, die deutsche Rechtspflege sei von dem bestimmenden Einfluss der Juden unterwandert und in einer Weise pervertiert, dass keinesfalls mehr von Wortlaut und Auslegung der – im Hinblick auf Nationalität „blinden“ – Gesetze ausgegangen wird, sondern vielmehr Deutsche durch die Bank benachteiligt und in der Entscheidungsfindung diskriminiert werden. Wer sich somit auf einen Prozess mit Juden bzw. „Kanaken“ einlasse, sei bereits vorverurteilt oder unterlegen. Diese Suggestion eines unbedingten Ausgeliefertseins gegenüber „Kanaken“ vor der eigenen Rechtspflege ist geeignet, eine im hohen Maße feinselige Haltung beim Leser gegen die Berufsgruppe der Richter und die in Deutschland lebenden Juden zu erzeugen oder zu steigern, was dem Angeklagten bewusst und von ihm beabsichtigt war.
Die Kammer ist sich hierbei dessen vollends bewusst, dass die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 erst dadurch Wert erlangt, dass sie auch unbequeme und dem Wertekanon, der die Kommunikationsfreiheiten erst hervorbringt, feindselig eingestellte Meinungen schützt, und dass aus diesem Grunde jegliches „Meinungsrichtertum“ unbedingt zu vermeiden ist (vgl. Dreier/ Schulze-Fielitz, Grundgesetz -Kommentar, Band 2, 2. Aufl. 2004, Art. 5 I, II Rn 62). Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass dieser Äußerung des Angeklagten eine politische Dimension innewohnt. Aus diesem Grunde ist die Kammer in die Erwägung eingetreten, ob es dem Angeklagten nach vertretbarer Auslegung primär nicht um die Schmähung von Bevölkerungsgruppen, sondern um die Leistung eines Beitrags im politischen Diskurs ging. Eine Auseinandersetzung mit einem politischen Missstand dergestalt, dass nach Ansicht des Angeklagten die deutsche Rechtsprechung mehrheitlich zugunsten von – wie auch immer verstandenen – „Fremden“ entscheidet, kann grundsätzlich auch in deutlichen und geharnischten Worten erfolgen. Eine Kritik im öffentlichen Diskurs muss, um am Schutz der Meinungsfreiheit zu partizipieren, weder sachlich noch hochwertig, sondern kann auch polemisch, selbst beleidigend sein (Dreier/ Schulze-Fielitz, 2. Aufl. 2004, Art. 5 I, II Rn 62).
Allerdings ist die Äußerung des Angeklagten als sogenannte Schmähkritik von vornherein nicht vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst. Dabei handelt es sich um solche Wertungen von Personen, bei denen es primär um deren Verunglimpfung geht, nicht aber um eine Auseinandersetzung in der Sache (Dreier/ Schulze-Fielitz, 2. Aufl. 2004, Art. 5 I, II Rn 70). Diese Schutzbereichsbestimmung kann die Kammer vornehmen, nachdem auch der meinungsfreundlichste Sinngehalt der Äußerung ermittelt ist.
Die Äußerung des Angeklagten ist für die angegriffenen Bevölkerungsgruppen, wie aufgezeigt, in höchstem Maße diffamierend. Er stellt die Behauptung demgegenüber einfach in den Raum und substantiiert sie in keiner Weise. Damit ist ihm primär an der Schmähung als an einem Sachbeitrag zum politischen Meinungskampf gelegen.
Zur Tat Nr. 7.
Das Einstellen der Äußerung „Der Juden-Dreck verträgt keine Kritik“ erfüllt den Straftatbestand des § 130 Abs. 2 Nr.1 StGB. Die Ermittlung des Sinngehalts dieser Aussage ist in Zusammenschau mit dem dazu geposteten Link und der Aussage des Presseartikels vorzunehmen, um der Sinnerfassung durch ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum eine vollständige Informationsbasis zu Grunde zu legen. Im Presseartikel heißt es, ein renommierter ehemaliger Presseredakteur sei auf persönliches Betreiben des französischen Präsidenten Sarkozy entlassen worden, nachdem er ohne Sarkozys Einverständnis in kritischer Weise über die Affäre seiner damaligen Ehefrau Cécilia berichtet habe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Entlassung des Redakteurs als Racheaktion eines politischen Machthabers dar, die mit dem Ruch von Machtmissbrauch belegt ist. Die damit verbundene Aussage des Angeklagten „Der Juden-Dreck verträgt keine Kritik“ ist somit bei unvoreingenommener Sichtweise dahingehend zu verstehen, dass die – als „Dreck“, also minderwertig – dargestellten Juden auf jede selbst sachlich-kritische Stimme, und sei es in Form legitimer Presseberichterstattung, mit unangebrachten Repressalien und unter Missbrauch ihrer (politischen) Macht antworten.
Mit der Äußerung „der Juden-Dreck verträgt keine Kritik“ bezeichnet der Angeklagte dabei (auch) die in Deutschland lebenden Juden, indem er Juden insgesamt – und nicht nur den Staatsmann Nicolas Sarkozy – adressiert. Auch die vordergründige Diffamierung einer Einzelperson – so des jüdischstämmigen Präsidenten der Französischen Republik, der nach einer Auslegung persönlich gemeint sein kann – erfüllt den Tatbestand des § 130 Abs. 2 StGB, wenn sie sich zugleich gegen den jüdischen Bevölkerungsteil der inländischen Bevölkerung richtet. Ob dies der Fall ist, ist durch den mittels Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert zu bemessen (vgl. OLG Stuttgart, NStZ 2010, 453, 2. Orientierungssatz). Der Auslegungshorizont umfasst dabei auch sonstige, vergleichbare Äußerungen des Angeklagten, z.B. die oben thematisierten. In beiden Fällen steht „der Jude“ stellvertretend für die (inländische) jüdische Bevölkerung. So soll auch hier „der Juden-Dreck“ die gesamte Bevölkerungsgruppe erfassen, wobei die Berichterstattung über Sarkozy nur zum beispielhaften Aufhänger, als pars pro toto genommen wird.
Auch eine denkbar „meinungsgünstige“ Auslegung vermag an dieser Lesart im Kern nichts zu verändern. Wird der Kontext der Äußerung in den Hintergrund gestellt, könnte die Aussage auch (pauschal) dahingehend verstanden werden, dass „Juden keine Kritik vertragen“, ohne dass dies – unter Einbeziehung des Artikels – mit unlauterem Machtmissbrauch verbunden wäre. In der Folge erschiene diese Bevölkerungsgruppe lediglich als sensibel oder – positiv gekehrt – stolz. Indes ist der Wortwahl „Juden-Dreck“ unmissverständlich: er dokumentiert eine angebliche Minderwertigkeit der Juden. Kraft dieser Wortwahl drückt der Angeklagte selbst bei günstigster Lesart jedenfalls aus, dass die Bevölkerungsgruppe der Juden minderwertig sind, berechtigte Kritik indes nicht hinnimmt und vollends uneinsichtig bleibt. Im Zusammenhang mit dem Presseartikel ergibt sich überdies der Sinngehalt, dass die Juden, werden sie dennoch kritisiert, zumindest vereinzelt aus einer Machtposition heraus „zurückschlügen“. Sie werden damit als aggressiv reformationsunwillig gezeigt.
Diese Äußerung ist, was der Angeklagte auch beabsichtigte, geeignet, eine gesteigerte, über bloße Ablehnung hinauszugehende feindselige Haltung zu erzeugen. Die Vorstellung einer Bevölkerungsgruppe nämlich, die sich trotz kollektiven Anpassungs- oder Reformbedarfs am Busen der Gesellschaft nicht nur unwillig, sondern geradezu renitent zeigt, ist geeignet, Ressentiments in großem Umfang auszulösen. Dies gilt umso mehr, wenn – was die Verbindung mit dem Presseartikel suggeriert – die betreffende Gruppe auf Kritik aus der Gesellschaft mit Sanktionen reagiert.
Zur Tat Nr. 8.
Der Angeklagte hat sich durch diese Tat einer Aufforderung zu Straftaten schuldig gemacht, § 111 Abs. 1 Var. 3, Abs.2 StGB. Indem der Angeklagte in der betreffenden Newsgroup – mithin durch Verbreiten von Schriften gem. § 11 Abs. 3 StGB – unter Bezug auf den deutschen NATO-General Egon Ramms äußerte: „Ein Kindermörder in Uniform. Schlag das Schwein tot, bevor weitere Kinder zu Leichen und Krüppeln werden“, forderte er zur Begehung einer rechtswidrigen Tat in Gestalt der Tötung von Egon Ramms auf.
Eine Aufforderung im Sinne des § 111 StGB setzt einen Aufruf zu einer bestimmten Straftat voraus. Diese muss zwar nicht ernst gemeint sein, aber jedenfalls den Eindruck der Ernstlichkeit erwecken, wessen sich der Täter bewusst sein muss (vgl. BGHSt 32, 310; KG NJW 2001, 2896). Zu einer Straftat fordert dabei jedoch nicht auf, wer die Tat lediglich befürwortet oder empfiehlt (vgl. BGHSt 32, 310, 311; 28, 312, 314). Vorliegend verwendet der Angeklagte den Imperativ („Schlag das Schwein tot“) und illustriert die drastischen Folgen, die das Fortleben des „Kindermörders“ zeitigen würde, so dass eine Aufforderung speziell zur Tötung (§§ 211 f. StGB) von Egon Ramms vorliegt. Diese erweckt auch zumindest den Anschein der Ernstlichkeit. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass mittels § 111 StGB vornehmlich bestimmte aggressive Formen der politischen Auseinandersetzung pönalisiert werden und dass gerade die politische Auseinandersetzung den Kernbestand der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG darstellt (BeckOK StGB / Dallmeyer, § 111 Rn 4a). Daher ist jede als – ernstliche – Aufforderung zu einer Straftat lesbare Äußerung eingrenzend darauf zu prüfen, ob sie nicht vielmehr als plakativer Beitrag zum politischen Diskurs dennoch von der Meinungsfreiheit partizipiert. Strafgrund des § 111 StGB ist andererseits die besondere Gefährlichkeit eines öffentlichen Aufrufs zu Straftaten zur Kenntnis unbestimmter Adressaten. Sobald der Aufruf getätigt ist, ist das Geschehen – auch und gerade für den Täter – nicht mehr steuerbar (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1993, 389, 390 ; BeckOK StGB / Dallmeyer, § 111 Rn 1).
Somit ist die abstrakte Gefährlichkeit eines öffentlichen Aufrufs zu einer Straftat abzuwägen gegen die politische Dimension des Geäußerten. Als Leitlinie muss dabei gelten, dass die grundrechtlich gewährleistete Freiheit des einen endet, wo sie in Grundrechtsbelange eines Dritten übergreift, die der Staat in Ausübung seiner Schutzpflichten und notfalls mittels der ultima ratio der Strafgesetze gewährleisten muss. Ein solcher Belang ist insbesondere die körperliche Unversehrtheit des Art. 2 Abs. 2 GG. Unter dieser Maßstabslegung stellt die Äußerung des Angeklagten eine als ernstlich zu verstehende Aufforderung zur Tötung von Egon Ramms dar. Sie ist von objektiven Dritten in Gestalt möglicher Rezipienten nicht lediglich als Missbilligung von Person und Tätigkeit des Egon Ramms zu verstehen, sondern als Aufruf dazu, diesen als „Kindermörder in Uniform“ umzubringen. Dass diese Aufforderung ernst genommen werden möge, ist sehr wohl möglich. Die Kammer ist sich des grundsätzlich begrenzten Adressatenkreises der Äußerung im ersten Zugriff bewusst, da die Newsgroup www.de.soc.politik.misc nur von einigen Dutzend Personen frequentiert wird. Dadurch, dass der Beitrag indes öffentlich zugänglich ist und auch Jahre später beliebig aufgerufen und lokalisiert werden kann, potenzieren sich seine möglichen Empfänger um ein Vielfaches.
Der Angeklagte war sich des Sinngehalts seiner Äußerung bewusst; er handelte mithin vorsätzlich. Dass er die Äußerung nicht ernstlich gemeint zu haben sich einlässt, bleibt hierbei ohne Belang. Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.
Zur Tat Nr. 9.
Mit dem Einstellen des Kommentars „Der Juden-Dreck bestimmt in der EU“ hat der Angeklagte den Straftatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Indem der Angeklagte auf einen Artikel verlinkt, der sich mit EU-Sanktionen gegen den schiitischen Iran befasst, suggeriert er dem verständigen Publikum, dass diese Initiativen mit einer „Kontrolle“ der EU-Institutionen durch die Juden zusammenhängen. Diese werden dabei („Juden-Dreck“) als minderwertig dargestellt. Die Äußerung ist in ihrer Auslegung unzweideutig. Die Juden, als „Dreck“ verunglimpft, seien in der EU – verstanden entweder als politische Institution oder aber als die Summe ihrer Mitgliedstaaten – tonangebend; die Sanktionen gegen (muslimische Staaten wie) den Iran seien diesem Umstand geschuldet.
Diese Äußerung ist auch geeignet und darauf gerichtet, zum Hass auf die Volksgruppe der in Deutschland lebenden Juden aufzustacheln, indem mittels Einwirkung – zumindest – auf den Intellekt der Adressaten eine feindselige Haltung ihnen gegenüber erzeugt oder gesteigert wird. Hierdurch wird ein Nährboden für die Bereitschaft zu Exzessen gegen die Juden in Deutschland geliefert.
Mit der Bezeichnung der Juden als „Dreck“ werden diese gleichsam als Abschaum und minderwertig, in jedem Fall – der drastischen Wortwahl wegen – als verachtenswert charakterisiert. Gleichzeitig attestiert der Angeklagte ihnen, einen bestimmenden Einfluss in der EU innezuhaben; sei es in den Institutionen der politischen Union oder – durch großes (zivil-)gesellschaftliches Gewicht in den einzelnen Mitgliedstaaten – durch indirekte Einflussnahme. Somit suggeriert der Angeklagte ein kaum zu überbrückendes Ungleichgewicht in der Verachtenswürdigkeit der – auch in Deutschland lebenden – Juden einerseits und deren geradezu ungezügelter politischer Macht andererseits, die noch dazu nicht offen zutage tritt, sondern im Verborgenen bleibt. Hinzu kommt, dass die EU nach landläufigem Verständnis ein politisches Gebilde ist, in dem zwar letztverbindlich und in großem Ausmaß politisch-soziale Macht ausgeübt wird, deren Wirkweise und Mechanismen aber im Einzelnen undurchsichtig bleiben. Unter diesen Voraussetzungen ist die Äußerung des Angeklagten bei hierfür empfänglichen Adressaten in hohem Maße geeignet, eine jedenfalls intellektuelle Beklemmung auszulösen, die dadurch ausgelöst wird, dass die Schalthebel der Macht von einer einzigen, hierzu unwürdigen Volks- bzw. Religionsgruppe kontrolliert werden. Das hierdurch ausgelöste Ohnmachtsgefühl bei für Antisemitismus empfänglichen Empfängern ist in hohem Maße geeignet und bestimmt, eine feindselige Haltung gegen die unterstellten verborgenen „Machthaber“ auszulösen. Auch kann das Gefühl einer putativen Bedrängnis dazu führen, dass hierdurch ein Nährboden für Gewalt oder zumindest so wahrgenommenen „Widerstand“ gesät wird.
Die Kammer ist unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit in die Untersuchung eingetreten, ob nicht im Kern der Aussage eine politische Äußerung im Sinne eines Beitrags zum offenen, jederzeit zu gewährleistenden Meinungskampf steht. Dies wäre der Fall gewesen, hätte der Angeklagte zu erkennen gegeben, dass er im Grunde eine Auseinandersetzung zur Sache über die Machtverteilung, Legitimation oder Maßnahmen der EU sucht. Hiervon ist indes nichts zu erkennen. Ganz im Vordergrund steht das Element der Schmähung der jüdischen Bevölkerung („Juden-Dreck“), während eine Rückbindung auch nur des Postulats, „die Juden“ hätten irgendwie Macht in der EU inne, unterbleibt. Als Schmähkritik hat auch diese Äußerung folglich nicht am Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Anteil.
Zur Tat Nr.10.
Indem der Angeklagte in der Newsgroup einen Thread mit dem Inhalt „Der saudumme Sozi A.“ eröffnete, hat er sich einer Beleidigung gem. § 185 StGB schuldig gemacht. Auch die ansonsten kontextlose Äußerung „Der saudumme Sozi A.“ stellt eine Meinungsäußerung und keine Tatsachenbehauptung dar. Anstatt messbare Intelligenzindikatoren zu meinen, äußert der Angeklagte aus Sicht eines objektiven Dritten seine Meinung über die Person des damaligen Bundestagsabgeordneten A. Hiermit verletzt der Angeklagte die Ehre des damaligen Abgeordneten A. Das Bezeichnen als „saudumm“ stellt eine Kundgabe der Miss- bzw. Nichtachtung des solcherart Bezeichneten dar. Zwar sind bloße Taktlosigkeiten und Unhöflichkeiten nicht als Beleidigung strafbar (vgl. BeckOK StGB/ Valerius, § 185 Rn 26); indes überschreitet das Bezeichnen als „saudumm“ diese Unerheblichkeitsschwelle. Es impliziert, dass der Betroffene A. – zur Tatzeit Mitglied des Deutschen Bundestages – in nahezu absolutem Umfang zu einfachen kognitiven Leistungen nicht fähig sein soll. Träfe dies zu, so wäre jedenfalls der öffentliche Achtungsanspruch des Betroffenen (,äußere‘ Ehre) geschmälert. Einer Abwägung mit der Meinungsäußerungsfreiheit diesbezüglich, dass der Aussage auch ein schonenderer Äußerungsgehalt beigemessen werden könnte, ist wegen ihrer Knappheit und wegen des Fehlens von Referenzpunkten, auf die sie sich beziehen könnte, nicht zugänglich. Der Angeklagte tat die Aussage vorsätzlich kund, indem er sie in der Newsgroup postete.
Der Angeklagte ist auch nicht gem. § 193 StGB gerechtfertigt. Dieser auf Meinungsäußerungen anwendbare Rechtfertigungsgrund dient unter anderem dazu, einen – auch geharnischten – politischen Diskurs zu ermöglichen. Im Wege einer Gesamtabwägung, in die u.a. auch die Bedeutung einer Information für die Öffentlichkeit und den öffentlichen Diskurs Eingang findet, wird die Meinungsfreiheit des Äußernden der persönlichen Ehre des Betroffenen gegenübergestellt (vgl. BVerfGE 42, 143, 152 ; BVerfG NJW 2004, 590, 591 ). Die Äußerung des Angeklagten kann in diesem Kontext indes nicht ernstlich berücksichtigt werden. Sie lässt jede sachliche Auseinandersetzung oder selbst den Willen hierzu vermissen und stellt sich als reine Schmähkritik in Form einer Formalbeleidigung dar, die einer Rechtfertigung gem. § 193 StGB schon dem Wortlaut nach von vornherein nicht zugänglich ist. Der Angeklagte stellt seine Diffamierung der Person A. in keinerlei sachlichen Kontext, innerhalb dessen er sich anlassbezogen über diesen hätte echauffieren mögen. Im Vordergrund steht einzig und allein, A. zu schmähen.
Zur Tat Nr. 11.
Der Angeklagte ist einer Beleidigung gem. § 185 StGB schuldig, indem er in einem neu eröffneten Thread schrieb: „Der saudumme Denunziant A., was wollt ich jetzt eigentlich schreiben? Ach ja, nun fällt’s mir wieder ein: Parlamentspolizei ist das so was wie Reichssicherheitshauptamt? Na ja, der saudumme Sozi als denunzierender Zuträger fürs Reichsicherheitshauptamt, das wundert doch niemand.“ Diese Äußerung stellt eine Meinungskundgabe und keine Tatsachenbehauptung dar. In den Kontext einer zur nämlichen Zeit in der Newsgroup laufenden Diskussion eingebettet, in der die Teilnehmer einander vor wiederholten Strafanzeigen des damaligen MdB A. warnten, drückt der Angeklagte seine persönliche Auffassung über diese Vorgehensweise des damaligen MdB A. aus.
Durch diese Äußerung verletzt der Angeklagte den damaligen Bundestagsabgeordneten A. in seiner Ehre. Zum einen bezeichnet er A. wiederum als „saudumm“; die Bewertung dessen entspricht der bereits oben bei der Tat Nr. 10 vorgenommenen Bewertung. Zum anderen stellt er die rechtsstaatlich verfasste Anzeigeerstattung As., der damit auf Verunglimpfung seiner Person reagiert, der Denunziation – d.h. dem schmählichen Verrat jemandes an ein Unrechtsregime – gleich, wie sie zu Zeiten des Nationalsozialismus an das damalige Reichssicherheitshauptamt stattgefunden hat. Die Unterstellung eines solchen Vorgehens impliziert – im engeren Sinne des Wortes – Ehrlosigkeit.
Bereits auf Grund des Charakters dieser Äußerung als Formalbeleidigung – vgl. oben zur Tat Nr. 10 – ist eine Rechtfertigung gemäß § 193 StGB ausgeschlossen. Auch weitere Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich.
Zur Tat Nr.12.
Mit dem Einstellen des Kommentars „Noch mehr Juden-Dreck im Fernsehen“ hat der Angeklagte den Straftatbestand des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Diese Äußerung versah der Angeklagte mit einem Link zu einem Artikel, der sich mit ,Aussöhnungsversuchen‘ des ZDF mit dem Literaturkritiker Marcel R-R. befasst. Unter anderem sollte R-R., der von seiner Herkunft polnischer Jude ist, ein eigenes Literaturformat angeboten werden. Unter verständiger Würdigung aus Sicht eines objektiven, unvoreingenommenen Publikums ergibt sich, dass zumindest dieses in Planung befindliche Format „Juden-Dreck“ sein soll, also – aus Sicht des Äußernden – von minderwertiger Qualität, mithin Schund. Diese Minderwertigkeit soll sich zudem gerade daraus ergeben, dass ein Angehöriger der jüdischen Bevölkerungsgruppe – hier: Marcel R-R. – an der Sendung teilhat.
Bei verständiger Auslegung (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 19.05.2009 – 2 Ss 1014/09 – Orientierungssatz 2) richtet diese Äußerung sich nicht primär gegen die Person von Marcel R-R., sondern gegen die Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland. Selbst bei meinungsfreundlicher Auslegung kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass dieser Schluss sich zwingend aus der Wortwahl „Juden-Dreck“ ergibt. Hiermit setzt sich der Angeklagte nämlich in keiner Weise mit der Persönlichkeit von Marcel R-R. auseinander, sondern rückt allein in den Mittelpunkt, dass dieser als Jude im Fernsehen auftritt. Bereits die Tatsache dieser Präsenz macht das möglicherweise geplante Format, über das im Übrigen nichts Näheres bekannt ist, in den Augen des Angeklagten zu „Juden-Dreck“. Als Aussagekern bleibt somit stehen, dass alles, was ein Jude – am Beispiel von Marcel R-R. – (jedenfalls) im Medium Fernsehen äußert, „Dreck“, also minderwertig bzw. verabscheuungswürdig ist.
Diese Äußerung ist geeignet und dazu bestimmt, Hass gegen die Bevölkerungsgruppe der Juden in Deutschland zu erzeugen. Sie impliziert nämlich, dass eine Volksgruppe, die insgesamt nur Minderwertiges zu äußern in der Lage ist, im Leitmedium Fernsehen – unverdienter Weise – eine prominente Position einnimmt. Gerade insoweit, als es sich um öffentlich-rechtliche Sender wie das ZDF handelt, die aus allgemeinen Beiträgen finanziert werden (GEZ-Gebühren), kann für hierfür empfängliche Adressaten der gegenständlichen Äußerung der Eindruck entstehen, „die Juden“ bekämen nicht nur ein breites öffentliches Forum, sondern würden von staatlicher Seite geradezu hofiert. Dies ist geeignet, ein Gefühl des Ausgeliefertseins bei Fernsehkonsumenten auszulösen, die nach eigenem Empfinden keine „den Juden“ vergleichbare Lobby aufweisen, zumal jene nach Ansicht des Angeklagten in der Fernsehlandschaft bereits breit vertreten sind – die Aussage “ noch mehr Juden-Dreck“ erlaubt keinen anderen Schluss. Insbesondere schafft die plakative Bezeichnung einer jeden von Juden getätigten Äußerung zumindest im Medium TV als „Juden-Dreck“ eine Geisteshaltung, der gemäß es die wohl einzig richtige – jedenfalls eine natürliche – Abwehrreaktion darstellt, den Äußernden und allem, was sie vorbringen mögen, mit Feindseligkeit gegenüberzustehen. Dieser abstrakten Gefährlichkeit war der Angeklagte sich bewusst und bezweckte, sie hervorzurufen.
Zur Tat Nr. 13.
Mit der Äußerung „Liebe Araber, Eure Verteidigung gegen die jüdischen Kindermörder scheint mir nicht besonders effizient. Ich empfehle, sich an historischen Vorbildern zu orientieren“ hat sich der Angeklagte der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Aus der Warte eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers hat sich bezüglich der Sinnermittlung das Folgende ergeben. Im Ansatz bedient sich der Angeklagte der rhetorischen Figur einer Anrede an (fiktive) Araber, denen er Ratschläge diesbezüglich erteilt, wie sie mit Juden umzugehen hätten; dabei wird ein höflicher Ton angewandt, der eine ruhige, emotionale Verbundenheit suggeriert („Liebe Araber, …“). Im Anschluss wird die Rolle der Araber wie insbesondere auch der Juden definiert, die diese aus Sicht des Angeklagten jeweils innehaben: Die Araber, die sich in der Opferrolle befinden („Eure Verteidigung“), müssen sich jüdischer Aggressoren erwehren, die als „Kindermörder“ besonders grausam und unmenschlich vorgehen. Die Äußerung bezieht sich damit auf den Nahostkonflikt, in dem sich Juden und Araber seit Jahrzehnten feindselig gegenüberstehen.
Nachdem die obige Lagerverteilung vorgenommen und bestimmt worden ist, dass die Juden arabische Kinder morden, d.h. in ruchloser Weise töten, schlägt der Angeklagte seinen (fiktiven) arabischen Gegenparts eine „effizientere“ als die bislang praktizierte Verteidigung vor, indem er zu einer „Orientierung an historischen Vorbildern“ ermutigt. Aus Sicht eines verständigen Rezipienten mit – selbst rudimentärer – historischer Vorbildung sind damit die Konzentrationslager gemeint, in denen im Dritten Reich auf – sic – effiziente Weise Millionen von Juden systematisch ermordet wurden (vgl. nur BGHSt 31, 231 f.; 40, 100). Die Aussage des Angeklagten ist damit so zu verstehen, dass die Wiederholung der massenhaften Ermordung der (heutigen) Juden als probates und wünschenswertes Mittel zur Anwendung kommen sollte, um jüdische Aggressionen gegen die Araber, die in Kindermorden gipfeln, zu unterbinden.
Derselbe Aussagegehalt folgt auch aus einer meinungsfreundlichen, der „Günstigkeitshypothese“ folgenden Auslegung. Die Kammer hat zunächst in Erwägung gezogen, ob nicht der „Ratschlag“ an die adressierten Araber lediglich ein leidenschaftsloser Hinweis des Angeklagten im Sinne des Aufzeigens einer Handlungsoption ist. Dieser meinungsfreundlichen Auslegung ist indes von vornherein der Boden entzogen. Der Angeklagte verwendet die Anrede „Liebe Araber“ erkennbar als Stilelement. Zudem empfiehlt er ausdrücklich die Orientierung an „historischen Vorbildern“.
Ferner hat die Kammer geprüft, ob insofern ein anderes „historisches Vorbild“ als die Konzentrationslager des Dritten Reiches in Bezug genommen worden sein könnten. Auch dieser Auslegungsversuch verlief ergebnislos. In keinem anderen, einer breiten Öffentlichkeit bekannten historischen Kontext standen sich Juden und Araber in einem Konflikt dergestalt gegenüber, dass die Araber den Sieg davongetragen hätten. Insbesondere die – weitbekannten – Aktionen eines D.H. Lawrence („Lawrence of Arabia“) waren nicht etwa gegen Juden, sondern gegen die Ottomanen gerichtet.
Mit seiner Äußerung macht der Angeklagte die Volks- und Religionsgruppe der Juden böswillig verächtlich und beschimpft sie. Die Tatbestandsvariante des Aufrufens zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen wird hier wegen des Erfordernisses des Einwirken auf andere mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu bestimmten Handlungen – hier: der Vernichtung von Juden in KZ-artigen Einrichtungen – hervorzurufen, nicht in Bezug genommen. Allzu unklar bleibt nämlich, welcher Empfänger sich dieses Anliegens „annehmen“ könnte bzw. sich dazu aufgefordert sehen mag.
Dahingestellt kann dabei bleiben, ob der Angeklagte sich ausschließlich oder überwiegend auf in Deutschland lebende Juden bezieht. Für die Erfüllung der obigen Tatbestandsvarianten des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist nicht notwendig, dass zielgerichtet die in Deutschland lebenden Juden als inländischer Bevölkerungsteil in ihrer Menschenwürde betroffen sein müssen; als religiöse bzw. durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe im Sinne des § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB kommt der Schutz der Strafvorschrift auch den Juden insgesamt und – insbesondere – den im Nahen Osten lebenden Juden zu, welche im tatsächlichen Kontakt mit ihnen teilweise feindlich gesinnten Arabern stehen. Dass damit der Schutz des § 130 Abs. 2 StGB auch auf vollständig im Ausland lebende Gruppierungen ausgedehnt wird, ist vom Gesetzgeber intendiert (Schönke/Schröder/ Lenckner/Sternberg-Lieben, StGB, 28. Aufl. 2010, § 130 Rn. 1a).
Der Angeklagte stellt die Volksgruppe der Juden aus verwerflichen Gründen als verachtenswert und minderwertig dar, indem er sie als Aggressoren und Kindermörder darstellt, die es verdienen, in Konzentrationslagern vernichtet zu werden. Zugleich beschimpft er sie hiermit, tut also auf besonders verletzende Weise seine Missachtung kund (vgl. BGHSt 7, 110), indem er sie u.a. der besonderen Grausamkeit des gewohnheitsmäßigen Kindermordens bezichtigt. Die Bewertung als minderwertig folgt daraus, dass der Angeklagte die Juden, nachdem er sie als Aggressoren und Kindermörder darstellt, als der „industriellen Ausmerzung“ würdig bezeichnet.
Hierdurch verletzt der Angeklagte die Menschenwürde der jüdischen Volksgruppe. Die Kammer hat die hohen Voraussetzungen, die an das Verdikt einer Menschenwürdeverletzung zu stellen sind, umfassend in Betracht gezogen. Indem indes die Juden nicht nur als minderwertige Aggressoren dargestellt werden, die nicht einmal vor der willkürlichen Tötung arabischer Kinder zurückschrecken und daher ihrerseits der grausamsten vorstellbaren Vernichtung anheimfallen sollen, spricht der Angeklagte ihnen vollends ihren Achtungsanspruch als Mitglieder jedweder Gesellschaft ab – ja sogar, wegen der Art ihrer Vernichtung „nach historischem Vorbild“, jedes Menschsein im Letzten, im Sterben (zur – vergleichbaren – Menschenwürdeverletzung bei der Bezeichnung von Juden als Kinderschänder vgl. BGH NStZ-RR 2006, 305 ). Dessen war der Angeklagte sich vollumfänglich bewusst.
Zur Tat Nr. 14.
Indem der Angeklagte die Äußerung „Natürlich, das jüdische Hetzerschwein ,Der Spiegel‘, das Zentralorgan der Juden und Arschficker“ tätigte, ist er der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig. Der Angeklagte kommentierte hiermit eine Kolumne des Angebots von Spiegel Online, in der eine postulierte „moralische Niederlage“ Israels im Zuge der Gaza-Offensive als ungerechtfertigt bezeichnet wird, die also insgesamt verhalten für Israel Partei ergreift. Aus Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters verleiht der Angeklagte seinem Unmut dadurch Ausdruck, dass er die Zeitschrift ,Der Spiegel‘ zunächst als „jüdisches Hetzerschwein“ betitelt, von dem („Natürlich“) nichts anders zu erwarten sei; die Zeitschrift sei nämlich das „Zentralorgan der Juden und Arschficker“. Ob mit dem letzteren Ausdruck männliche Homosexuelle in Bezug genommen werden oder er im Sinne eines generellen Fluchs verwendet wird, ist aus Sicht der Meinungsäußerungsfreiheit jedenfalls insoweit unerheblich, als er als Schmähung erkennbar ist. In jedem Falle stellt der Angeklagte Juden – gemeint sind jedenfalls auch die in Deutschland lebenden – und „Arschficker“ auf eine Stufe, die sich des ,Spiegel‘ bedienen, um auf niedrigste Weise – als „Schwein“ – zu „hetzen“, also auf absichtsvolle, feindselige Weise mobil zu machen.
Am Duktus der offensichtlichen Äußerung des Angeklagten – bei der die Kammer auch nach sorgfältiger Analyse keinen Auslegungsspielraum ausmachen kann – verfängt keine über den aus objektiver Warte ersichtlichen Sinngehalt hinausgehende meinungsgünstige Auslegung.
Hiermit stachelt der Angeklagte zum Hass gegen die in Deutschland lebenden Juden auf. Dies ergibt sich in der Sache bereits aus der Würdigung der obigen Äußerung, die um diverse Schmähungen angereichert ist. Deren hauptsächlicher Adressat ist dabei nicht die Zeitschrift ,Der Spiegel‘, sondern die Volksgruppe der Juden, die der Angeklagte als ,Strippenzieher‘ dahinter wähnt, welche sich ihres „Zentralorgans“ zum Zweck des „Hetzens“ bedienen. Vor diesem Hintergrund ist nicht die Zeitschrift ,Der Spiegel‘ selbst, sondern die ihn ,kontrollierenden‘ Juden das „jüdische Hetzerschwein“, denn der Zeitschrift fehlt nach natürlichem Sprachgebrauch die zum Schweinsein erforderliche personelle Eigenschaft.
Diese Schimpfkanonade, die den – als auf tiefster Stufe stehend portraitierten – Juden eine Pressemacht unterstellt, die sie „natürlich“ zum „Hetzen“ missbrauchen, ist geeignet und vom Angeklagten dazu intendiert, eine massiv gesteigerte feindselige Haltung gegen die Bevölkerungsgruppe der Juden zu erzeugen.
Zur Tat Nr. 15.
Durch die Äußerung „Juden-Dreck auf allen Kanälen. Nennt sich gelebte Vielfalt in der Juden-Diktatur Deutschland“ ist der Angeklagte der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig. Unter verständiger Auslegung dieser Aussage missbilligt der Angeklagte die Gesamtheit des in Deutschland vorhandenen Rundfunkangebots, und zwar spezifisch deshalb, weil es zumindest in letzter Instanz von Juden verantwortet sei. Deutschland stehe unter dem Diktat der Juden; alles, was als „gelebte Vielfalt“ bezeichnet wird, sei tatsächlich „Juden-Dreck“. Ein anderes Medienangebot, das keinen „Juden-Dreck“ darstellt, ist nach dem Dafürhalten des Angeklagten nicht vorhanden. Dies ist im Gesamtkontext der Aussage der Tatsache geschuldet, dass Deutschland eine „Juden-Diktatur“ sei, ein diesem ,System‘ nicht genehmes Medienangebot mithin nicht geduldet werde.
Unter dem Vorzeichen einer meinungsfreundlichen Auslegung hat die Kammer geprüft, ob im Kern der Aussage eine kritische Auseinandersetzung mit Vielfalt und Qualität des massenmedialen Angebots in Deutschland zu ersehen ist. In diesem Fall wäre jedenfalls eine Verhältnismäßigkeitsprüfung anzustellen gewesen, die den unter der Ägide der Meinungsfreiheit stehenden Äußerungskern dem Strafanspruch gegenüberstellt, den die beleidigende verbale Einkleidung hervorruft. Indes steht auch bei dieser Aussage des Angeklagten das Element der Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik der Bevölkerungsgruppe der Juden derart im Vordergrund, dass ein sachlicher Kern der Auseinandersetzung unkenntlich ist. Die bereits der Form nach diffamierende Charakterisierung jedes Medienangebots als „Juden-Dreck“ (vgl. die Ausführungen zur Tat Nr. 9), gekoppelt mit dem Vorwurf einer mit einer demokratischen Herrschaftsform inkompatiblen „Juden-Diktatur“, entzieht die Äußerung dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG.
Die Äußerung des Angeklagten stachelt zum Hass gegen die in Deutschland lebenden Juden auf. Die Suggestion, dass das (massen-)mediale Angebot zur Gänze von einer diktatorischen, jüdischen ,Herrschaftselite‘ dominiert wird, welche nur „Juden-Dreck“ – also ein gänzlich minderwertiges Medienangebot, das als „gelebte Vielfalt“ von verschiedenen Ethnien und Anschauungen beherrscht wird – überhaupt zulässt, ist geeignet, eine gesteigert feindselige Haltung gegen die mutmaßlichen ,Medienmanipulatoren‘ hervorzurufen, die als Nährboden für Exzesse gegen sie fungieren kann. Durch die Omnipräsenz der Medien kann bei Menschen, die für solche Aussagen empfänglich sind, der Eindruck einer ,Gehirnwäsche‘ und Fremdbestimmtheit entstehen, die für sie – welche über keine eigene mediale Kommunikationsplattform verfügen – unentrinnbar ist; (vgl. im Übrigen die Ausführungen zur Tat Nr. 9). Dessen war der Angeklagte sich bewusst und bezweckte es.
Zur Tat Nr. 16.
Indem der Angeklagte schrieb: „Ein CIA-Schwein als Bundesanwalt. Na, wen wundert das denn bei dieser korrupten Justiz in der Juden-Diktatur Deutschland“, ist er wegen Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar. Bei objektiver und sodann meinungsfreundlicher Auslegung auf der Sinnebene – und in Gesamtbetrachtung mit dem dazu geposteten Link – äußerte der Angeklagte hiermit, dass die Justiz in Deutschland korrumpiert sei, indem ein Mitarbeiter oder zumindest Sympathisant des US-Auslandsgeheimdienstes CIA als Bundesanwalt fungiere. Dies geschehe in Übereinstimmung oder zumindest unter Billigung der Machthaber in Deutschland, namentlich der Juden. Jene hätten Deutschland in eine „Juden-Diktatur“ mit einer korrupten Justiz verwandelt oder seien dieser Entwicklung zumindest nicht entgegengetreten, so dass die deutsche Rechtspflege unangefochten von verdeckt operierenden ausländischen Agenten durchsetzt sei.
Diese Äußerung ist geeignet und intendiert, zum Hass gegen die in Deutschland lebenden Juden anzustacheln. Selbst bei meinungsfreundlicher Auslegung postuliert der Angeklagte einen ,Ausverkauf‘ der deutschen Rechtspflege an willkürlich operierende ausländische Agenten, die gleichsam einen Freibrief besäßen. Dies geschehe zumindest mit Billigung der Juden, die in der Bundesrepublik jedenfalls quasi-diktatorisch den Ton angäben und die oben geschilderte Korruption zumindest duldeten.
Empfänger dieser Äußerung können deshalb Gefühle größter Feindseligkeit und Ablehnung entwickeln oder darin bestärkt werden. Eine funktionierende Rechtspflege, Kern des in preußischer Zeit installierten – und unter dem vernichtenden Eindruck des Nationalsozialismus affirmierten – Rechtsstaats, ist das Rückgrat der Voraussetzungen, welche die Demokratie der Bundesrepublik tragen. Der Eindruck eines Ausverkaufs all dessen, der den hiesigen Juden zur Last gelegt wird, kann das Vertrauen in diese Institution untergraben und ein Gefühl der Ohnmacht oder gar den Eindruck erwecken, man müsse sich außerhalb des rechtlichen Rahmens gegen diesen Verfall zur Wehr setzen. Bezüglich dieser Wirkungsweise hatte der Angeklagte Absicht.
VI.
Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft. Seine Überzeugung, die von ihm im Internet verbreiteten Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 GG gedeckt, bleibt als vermeidbarer Verbotsirrtum gem. § 17 S. 1 StGB ohne Belang. Die Kammer hat jedoch gemäß § 17 S. 2 StGB die Strafe jeweils nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert.
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